„Misdoings of the Germans!?“ – Behauptungen und Tatsachen
Vertraut man dem Urteil der gar nicht so wenigen sowohl deutschen als auch ausländischen Autoren wie z.B. Fritz F. Müller, Norman R. Bennett, Helmuth Stoecker oder Thomas Pakenham, so ist bereits die deutsche Vorkolonialzeit in Ostafrika gekennzeichnet gewesen von entsetzlichen Ausschreitungen – vornehmlich gegen die an der Küste wohnende muslimische – Bevölkerung, welche bereits die Greuel einer späteren geschichtlichen Periode vorwegzunehmen scheinen. Unter den zahlreichen Vorwürfen heißt es zum Beispiel:
„Durch ihre maßlose Arroganz, die Verletzung der religiösen Gefühle der Mohammedaner, die Mißachtung der Flagge des Sultans und Brutalitäten gegen jedermann hatten sich die DOAG-Agenten überall verhaßt gemacht“.[1] „Jeden Morgen gingen die neuen Herren im Ort herum und ‘ergriffen die Frauen … und trieben mit ihnen, was sie wollten.‘ Befragt wegen dieser am hellen Tag und regelmäßig begangenen Verbrechen, sollen die Herren geantwortet haben, das sei so deutsche Art.“ [2]
Setzt man solche und ähnliche Zitate als Tatsachen, so liegt allerdings der Gedanke nahe, daß „in dieser Gesellschaft (erg.: in Deutschland) gewalttätige Traditionen vorhanden sind, die sich nicht auf den „Dämon“ Hitler reduzieren lassen, sondern die in sozusagen normalen Zeiten, in „der guten alten Zeit“, sich vollzogen“. [3]
Wie verhält es sich aber mit der Rezeptionsgeschichte dieser und ähnlicher Behauptungen, wie mit ihrer Stichhaltigkeit und wie ist es um ihre Quellentreue bestellt?[4]
Um diese Fragen zu erörtern, ist es unabdingbar nötig, zunächst in groben Zügen die Vorgänge an der ostafrikanischen Küste im Vorfeld des sogenannten Araberaufstandes Ende der achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts nach den Originalunterlagen so gut als in dem enggesteckten Rahmen eines Artikels möglich, vorzustellen.
Basierend auf dem sogenannten Küstenvertrag vom 28.4.1888 (LG: S.3ff),[5] welcher von Dr. Peters auf Wunsch von Sayyid Bargasch, dem damaligen Sultan von Sansibar, und nach Einsichtnahme beim britischen Generalkonsul (abgek.: Gk) Holmwood dem im Juni 1887 zwischen dem Sultan und der Imperial British East Africa Compagny (abgek.: IBEAC) geschlossenen Vertrag nachgestaltet worden war,[6] sollte bis zum muslimischen Neujahrsfest,[7] die Übernahme der Verwaltung an dieser Küste zwischen den Grenzflüssen Umba und Rovuma durch die Deutsch-Ostafrikanische Gesellschaft (abgek.: DOAG) vorgenommen sein.[8] Die Verpachtung der Zölle an der Küste war eine langgeübte Tradition im Sultanat Sansibar,[9] neu dagegen nur, daß Europäer vertragsmäßigen Anspruch darauf erhielten und im Gefolge die Küstenverwaltung dort in deutsche, britische, italienische (und portugiesische) Hände geriet.[10] Laut Gutachten des Reichsjustizamtes vom 30.6.1888 bedeutete dies für den deutscherseits ins Auge gefaßten Küstenstrich, daß nach wie vor der Sultan Souverän der Küste blieb und nur die Ausübung dieser Souveränitätsrechte an die DOAG überging unter Wahrung der Rechte von Drittstaaten, welche mit dem Sultan zuvor schon Verträge abgeschlossen hatten.[11]
Daher sah auch das Zeremoniell der feierlichen Verwaltungsübernahme vor, daß auf dem Verwaltungssitz eines jeden Bezirks beide Flaggen, die rote des Sultans und die Gesellschaftsflagge untereinander bzw., bei zwei vorhandenen Masten, nebeneinander wehen sollten, die Sultansflagge jedoch immer höher (!) aufgezogen.[12] Informationsschreiben der DOAG an die wulât in Arabisch und Deutsch, die bevorstehenden Änderungen betreffend, waren zusammen mit einer Schilderung des Verlaufs der Übernahmefeierlichkeiten zuvor mit Schreiben vom 3.8.1888 durch Vermittlung des kaiserlichen (abgek.: ksl.) Gks Dr. Michahelles dem Sultan zur Kenntnisnahme und involvierten Genehmigung vorgelegt worden.[13] In einer von Konsul Vohsen wiederholt erbetenen und ihm (wohl) am 13.8.1888 endlich vom Sultan gewährten Audienz diskutierte der neue Generalvertreter mit Sayyid Khalifa, welcher am 27.3.1888 seinem verstorbenen Bruder Bargasch auf den Thron nachgefolgt war, den Verlauf der geplanten Feier(n) sowie die Anweisungen an die wulât, die obersten Küstenverwaltungsbeamten des Sultans, in allen Einzelheiten, da sich letzterer einerseits mit Ratifizierung des Küstenvertrags dazu verpflichtet hatte, „alle Akte und Handlungen, welche erforderlich sind, um die Bestimmungen des Vertrages zur Ausführung zu bringen, vorzunehmen und der Gesellschaft mit Seiner ganzen Autorität und Macht zu helfen und beizustehen, damit die gewährten Rechte und Gewalten sichergestellt werden“ und es andererseits Ziel der DOAG war, sich soweit als möglich den Souverän gewogen zu machen und ihn daher in die Planungen der DOAG miteinzubinden.[14]
Auch das Datum der Verwaltungsübergabe stellte eine bewußte Wahl dar, da erst zu diesem Zeitpunkt, dem Ende des Rechnungsjahres, mit verläßlichem Datenmaterial der zentralen Zollverwaltung auf Sansibar gerechnet werden konnte und auch der Handel so am wenigesten Störung erfuhr, da „gleich nach dem 18.8.1888“ im Zusammenhang mit dem Neujahrsfest traditionsgemäß für mehrere Tage jegliche Handelstätigkeit ruhte.[15]
Zu den umfangreichen Vorbereitungshandlungen gehörte zudem eine Bereisung der auch in Zukunft als Bezirksverwaltungssitze auserkorenen Küstenstädte. Dazu hatte sich Konsul Vohsen besonders in einer Konferenz mit Sayyid Khalifa, dessen Räten, dem Kommandeur der regulären Sultanstruppen General Matthews sowie dem ksl. Gk, dem privat reisenden Amtsrichter Dilthey u.a. am 31.5.1888 die Unterstützung des Souveräns auch dahingenhend gesichert, daß Soliman bin Nassr als Vertrauter und Abgesandter des Sultans auf der ebenfalls von diesem eigens gecharterten Barawa den Generalvertreter begleiten und als besonderer Ansprechpartner für eventuelle Fragen der muslimische Bevölkerung, insbesondere der dortigen wulât als bisheriger sowie zukünftiger Verwaltungsbeamter des Sultanats, zur Verfügung stehen und dieselben per Sultansproklamation über die bevorstehenden Ereignisse aufklären sollte.[16] Diese Reise fand statt im südlichen Küstenabschnitt vom 20.-30.6.1888, die nördliche wegen aufgetretener Transportprobleme erst ab dem dem 13. Juli 1888.[17] Als Ergebnis dieser zeigte sich der Generalvertreter „im Allgemeinen befriedigt von der Aufnahme, welche die Proklamation gefunden“ hatte; Einwände seitens der Bevölkerung gegen die bevorstehende Änderung blieben aus und alle (!) wulât der Küstenplätze bekundeten, in deutschen Diensten verbleiben zu wollen.[18] Von dem Vorgehen der DOAG beeindruckt, äußerte Oberst Euan Smith, der britische Gk, Dr. Michahelles gegenüber die Hoffnung, die IBEAC möge die Übernahme der Küstenverwaltung in dem ihr zugestandenen Gebiet „nach deutschem Vorbild“ vornehmen.[19]
Einigen Konfliktstoff barg eine auf Wunsch des Sultans bei der Besprechung vom 31. Mai getroffene Vereinbarung in sich, daß der Sultansabgesandte gelegentlich der Küstenreise zusammen mit den wulât eine Liste derjenigen Liegenschaften erstellen sollte, welche der Sultan auch nach Inkrafttreten des Küstenvertrages als sein Privateigentum reserviert wissen wollte, während der Rest, darunter auch sogenannte “öffentliche Gebäude“ in Gesellschaftsbesitz übergehen sollten.[20] Diese Liste war jedoch bei Übernahme der Verwaltung immer noch nicht fertig, so daß Streit darüber entstand, ob ein bestimmtes von einem wâlî bewohntes Haus nun als Verwaltungsgebäude der DOAG anzusehen sei oder als Privateigentum des Sultans.[21] Hieran zeigt sich bereits ein wichtiges Merkmal der Verhaltensstrategie der sansibarischen Sultane: nach gezeigter, oft sogar bemerkenswert liebenswürdiger Bereitwilligkeit Zugesagtes später einfach zu verweigern oder immer wieder hinauszuzögern.[22]
Vor Aussendung der als Bezirks- bzw. Stationschefs ausgewählten Männer ab dem 5.8.1888 hielt Konsul Vohsen in Sansibar noch Besprechungen mit den ansässigen deutschen und ausländischen Firmen ab, erbat von Sayyid Khalifa, außerdem einen Sachverständigen zur Abwicklung zolltechnischer Fragen und legte den für die Küste bestimmten Verwaltungsbeamten „wiederholt die größte Sorgfalt in ihren Handlungen … . „ ans Herz, „Vor allem … Fühlung mit den Eingeborenen, den Indern und den Arabern zu gewinnen und möglichst wenig ‚regierend‘ aufzutreten, einschneidende Aenderungen nur nach erfolgter Berathung mit den vornehmsten Indern und Arabern … ebenfalls nur in dieser Weise zu treffen … .“[23] In Vohsens via Gk der Regierung nach Berlin zur Prüfung eingereichten „Provisorischen Instruktionen …, A.) Allgemeine Bestimmungen“ für die Beamten hieß es, daß sogar das Verhältnis der Unterordnung der wulât unter die Bezirkschefs zumindest zunächst „öffentlich noch nicht so präcisen oder gar schroffen Ausdruck finden“ dürfe, „daß hierdurch die Gefühle der mohamedanischen Bevölkerung verletzt werden könnten“; der Verkehr mit diesen als Exekutivorganen bzw. Polizeichefs würde „in der Form des Ersuchens zu pflegen sein“; demgegenüber gelte: „Kathis werden eben selbstständig fungieren und den Stations-Chefs in keiner Weise unterstellt sein. … . Bei öffentlichen Gelegenheiten ist der Kathi als Repräsentations-Person des Sultans zu betrachten und sind ihm hierbei die entsprechenden Ehrungen zu erweisen.“[24] Unter Teil „B.) Allgemeine Bestimmungen I. Politik und Administration“ wird „den Stations-Chefs dringend empfohlen, sich die Erlernung der Landessprache d.i. des Suaheli eifrigst angelegen sein zu lassen, um hierdurch auch in leichteren und innigeren Contact mit der Bevölkerung zu kommen. … . Das Verhältnis der Stations-Chefs zur Bevölkerung hat grundsätzlich stets ein würdevoll freundliches zu sein und Zornes- oder Gewaltausbrüche gegen dieselbe müssen unbedingt vermieden werden. … . Bei Mohamedanern, Indiern etc. sind religiöse Gebräuche und Eigenthümlichkeiten möglichst zu berücksichtigen …“.[25]
Eine Kontrolle übte der Generalvertreter durch die regelmäßig gepflogene Korrespondenz mit den Bezirkschefs aus, welche zur Erstellung von Monats- und bei wichtigen Vorkommnissen zusätzlich von Sonderberichten verpflichtet waren, nicht selten mit der Folge, daß sich Vohsen schon einen Tag später per Sultansdampfer vor Ort persönlichen Eindruck verschaffte, wie das dicke Aktenbündel R-406 eindrucksvoll vor Augen führt. Bezüglich der Übernahmefeierlichkeiten hatten die Bezirkschefs umgehend über deren detailliert vorgeschriebenen Vollzug zu berichten.[26] Vohsen seinerseits war nach §11 seiner, ihm durch die DOAG-Direktion auferlegten und vom Rk gebilligten Instruktionen mit jeder Post zur Berichterstattung nach Berlin verpflichtet. Auch der Gk war aufgerufen, auf die Tätigkeit der DOAG-Organe ein waches Auge zu haben.[27]
Die soeben geschilderten Vorbereitungen vermitteln – von der Tatsache der mit der Etablierung einer Kolonialherrschaft per se verbundenen gewissen „Entmündigung“ einer Nation durch eine andere – deutscherseits eher ein Bild zumindest ernsthaften Bemühtseins um gute Kontakte zur einheimischen Bevölkerung. Man mag einwenden, daß Theorie und Praxis durchaus auseinanderklaffen können, obwohl von einem die Befehlsstruktur gewohnten Offizier wie von Zelewski auch bei privatrechtlichen Unternehmungen eher militärischer Gehorsam vorauszusetzen wäre. Dennoch ist ein Blick auf die praktische Umsetzung der Vorgaben der Generalvertretung angebracht, um daran die Berechtigung der eingangs erwähnten Anschuldigungen zu überprüfen.
Der für einen Artikel gebotenen Kürze entsprechend soll dazu das Beispiel „Pangani“ herausgegriffen werden, welches sowohl nach Umfang als auch nach Gewichtigkeit der Anklagen wohl das krasseste ist.
Leutnant von Zelewski, dem zur Unterstützung seiner noch mangelhaften Kiswahilikenntnisse der schon auf der Station befindliche Herr Burchard zugeteilt war, sowie der Österreicher Sigl, langte am 6.8.1888 in Pangani an und widmete sich als erstes dem Verladen und Auspacken der mitgebrachten Ausrüstung, der Unterbringung und Einrichtung, unmittelbar darauf aber schon ersten Besprechungen „mit den einflußreichsten Einwohnern von Pangani und Bueni“; betreffs der auf Spaziergängen durch Stadt und Umgebung angetroffenen Bevölkerung bemerkt er: „Überall habe ich freundliches Entgegenkommen gefunden“, zudem schienen die Leute über die bevorstehende Änderung informiert.[28] Diese Erwähnung in von Zelewskis Bericht, welche noch nicht als Rechtfertigungsversuch auf eine – weil zu dem Zeitpunkt fehlende – Beschwerde über ihn gewertet werden kann, scheint nicht nur von der Wahrscheinlichkeit her glaubhafter als Pakenhams Theorie vom Erscheinen der Deutschen vor Ort als einer Art Blitz vom heiteren Himmel herab,[29] welcher zudem jeglicher Quellenbeleg fehlt, sondern sogar die erstmals von F.F. Müller veröffentlichte Denkschrift der vom 11.- 18.9. 1888 auf Sansibar weilenden und gegen das Vorgehen der DOAG-Beamten Beschwerde füh- renden Pangani-Deputation[30] stützt eher von Zelewskis Version.
Wichtig ist auch der Umstand, daß dem Stationschef außer seinen beiden europäischen Angestellten nur die unter Kommando des wâlî stehenden Askaris mit ihren direkten militärischen Führern, den Akiden, zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und für einen Verteidigungsfall zur Verfügung standen.[31] Demgegenüber verfügten die ansässigen Kaufleute über ein imponierendes Waffenarsenal, darunter auch modernste Präzisionswaffen.[32] So ist die Bewertung eines berühmten Führers des sog. Araberaufstandes, Buschiri, seiner Geisel Dr. Baumann gegenüber verständlich: „Die Deutschen aber kamen wehrlos und ohne Soldaten, nur mit einem Brief des Sultans, der uns leerer Schall war. An einen Ort kamen zwei, an den an- deren drei oder höchstens vier Beamte. … . Ja, die Engländer, das mag ein reiches und mächtiges Volk sein, aber die Deutschen scheinen mir wohl nur ,wadogo dogo‘ (ganz klein)“[33] Ein möglichst gutes Auskommen mit der Einwohnerschaft wäre demnach schon Gebot des gesunden Menschenverstandes gewesen, wenn nicht gar eine Überlebensfrage.
Der nächste Schritt war die Veröffentlichung der „Proclamation und Bekanntmachung“ durch „Vorlesen bei den vornehmsten Arabern und Indiern“, später durch Anschlag an der am Stationshaus befindlichen Tafel, von welcher „Hörlustigen“ auf Wunsch ebenfalls vorgelesen wurde.[34] Laut Bericht von Konsul Vohsen an die DOAG-Direktion/Berlin vom 25.8.1888 handelte es sich dabei um die Sultansproklamation vom 14.8.1888 in Deutsch und Arabisch sowie diejenige der DOAG in den nämlichen Sprachen, wobei die DOAG-Proklamation bezeichnenderweise mit „Hoch lebe der Sultan“ endete.[35] Aufgabe des jeweiligen wâlî wäre es im Anschluß daran gewesen, die restliche (Kiswahili sprechende) Bevölkerung zu informieren. Außerdem fällt bei der Sultansproklamation auf, daß im Vergleich zu anderen seiner schriftlichen Äußerungen die in genuin arabischen Texten üblichen Umschweife bzw. „blumige“Ausdrucksweise fehlen sowie gern eingestreute Gottesanrufungen. Tatsächlich war Vohsen wiederholt um eine aufklärende Anweisung des Sultans an seine Untertanen eingekommen, um damit das Einvernehmen zwischen DOAG und Sultan bezüglich der neu zu gestaltenden Küstenverwaltung zu demonstrieren. Als diese kurz vor der Verwaltungsübergabe immer noch nicht vorlag, hatten der Generalvertreter im Verein mit dem ksl. Gk den Entwurf einer solchen Order eingegeben. Allerdings wurde ihre Aushändigung und damit Ausfertigung durch die „graue Eminenz“ am Hof, Bakaschmar, verhindert, indem er dieselbe Sayyid Khalifa vor Zeugen protestierend aus der Hand riß. Schließlich gelang es Vohsen, in der endlich doch noch gewährten Audienz ohne Bakaschmars Anwesenheit etwaige Bedenken auszuräumen und somit die Ausfertigung durch den Sultan doch noch zu erreichen.[36]
Als nun instruktionsgemäß von Zelewski zusammen mit Burchard am 12.8.1888 nach vorheriger Anmeldung den wâlî Abdul Kaoni ben Mulallah aufsuchte, welcher ihm bislang aus dem Weg gegangen war, um ihm vor Zeugen ein vom ksl. Gk erwirktes Informationsschreiben des Sultans an seine wulât von Ende Juli sowie das Einführungsschreiben für den Bezirkschef samt Nachtrag, beide vom 28.7.1888,[37] zu übergeben, verweigerte dieser nach deren Kenntnisnahme und Versicherung, ihre Inhalte gleichwohl verstanden zu haben, einfach deren Annahme. Auch die Erinnerung an die für die Zeit nach dem 16.8.1888 bereits beschlossenen Änderungen in der Küstenverwaltung, über die die Küstenbevölkerung doch längst schon informiert worden sei, vermochte den wâlî nicht umzustimmen. Daher eröffnete von Zelewski, der diese Haltung als Kundgabe des wâlî interpretierte, nun doch nicht in deutschen Diensten bleiben zu wollen, jenem in Übereinstimmung mit den von der Generalvertretung erhaltenen Instruktionen vom 19.7.1888, daß er unter diesen Umständen abgelöst bzw. nach Sansibar zurückberufen werden müsse. Auch gegen die für den 16.8.1888 geplante Flaggenhissung trug Abdul Kaoni Bedenken vor, sofern er nicht eine eigens darauf bezügliche Order des Sultans erhalte. Darauf ging von Zelewski ein und sicherte zu, solange die feierliche Hissung der DOAG-Flagge aufzuschieben.[38]
Doch bereits die Übermittlung der Eingabe an die Generalvertretung, daß für den wâlî noch ein spezieller Sultansbefehl gebraucht werde und derselbe abgelöst werden solle, kam nur unter schwierigen Bedingungen zustande. Da den Stationen keine eigene Dampferverbindung zur Verfügung stand,[39] mußte der Bote eine Überfahrt auf einer Dhau zum überhöhten Preis von 50 Rupien ordern, während für diese Überfahrt 4-5 Rp. üblich waren. Auch konnte die längst mit Handelsgut für Sansibar voll beladene Dhau nicht ablegen, ohne daß ein Grund genannt wurde. Schließlich wollte der Eigner überhaupt nicht mehr auslaufen, außer erst abends und gegen sofortige Vorauskasse. Der einzige sonst noch aufzufindende Eigner verlangte gar 200 Rp. für die Mitfahrt. Von Zelewski erklärte diesen Zwischenfall, der einem Boykott gleichkam, damit, daß sich die Verweigerungshaltung des wâlî gegen den neuen Stationschef im Ort bereits herumgesprochen und so Folgen gezeitigt habe. Die Benachrichtigung der Generalvertretung geschah dann mit erheblicher Verspätung.[40]
Tatsächlich war bei den Europäern Sansibars ein Umstand bekannt, den Krenzler als die “Geschichte mit den zwei Briefen“ folgendermaßen formulierte: „von denen der eine, auf diplomatischem Weg zugestellt, dem nach dem Innern reisenden Europäer den vollsten Schutz und die hilfreichste Unterstützung seitens der Behörden Se. Hoheit verspricht, während der andere, an eben diese Behörden vorausgeschickt, den strikten Befehl enthält, ihm möglichst viel Hindernisse in den Weg zu legen, … . Seine (= des Sultans, d.Verf.) Beamten, an die strikteste Befolgung seiner Befehle gebunden, und fortgesetzt von einem Heer von Spionen bewacht, sind total unselbständig. … . Täglich gehen eine Menge schriftlicher Befehle und Verhaltensmaßregeln an seine Gouverneure am Festland.“[41] Zudem warnte von Zelewski einer Kassandra gleich vor eventuellen, weit schlimmeren Auswirkungen eines kontraproduktiven Wirkens des wâlî, da er aus den Tagen der Peterschen Gebietserwerbungen im Hinterland des zum Herrschafts- und Einflußbereich der Âl Bû-Sa‘îdî, der sansibarischen Herrscherfamilie, gehörenden Küstenstreifens schon auf derartige negative Erfahrungen zurückblicken konnte.[42] Auch Amtsrichter Dilthey berichtete von dem wiederholten offenen oder geheimen Wirken der wulât gegen die DOAG.[43]
Wäre es dem Sultan mit dem Passus bezüglich der Unterstützung der DOAG, wie sie der bereits erwähnte Art.1, Satz 6 des Küstenvertrages vorsah, ernst gewesen, so wäre ihm die sofortige, bereitwillige Ausfertigung des Sonderbefehles an den wâlî selbstverständlich gewesen. Sollte aber Admiral Deinhards nachträgliche Einschätzung, die Araber hätten die Sultansfahne schon durch fremde Nachbarschaft beeinträchtigt geglaubt, zugetroffen haben, wäre es ebenso Pflicht des Sayyid gewesen, die Gesellschaft rechtzeitig darüber zu informieren und ein anderes Vorgehen anzumahnen. Dies hatte er jedoch unterlassen.[44] Da es inzwischen auch an den übrigen Küstenplätzen, so z.B. Bagamoyo zu einem ähnlichen Dilemma bei der Verwaltungsübernahme gekommen und Sonderbefehle des Souveräns durch die wulât gefordert worden waren, hatte es schon angesichts jener Vorfälle ernsthafte Auseinandersetzungen zwischen dem erneut Ausflüchte machenden Sultan und dem ksl. Gk als Bittsteller für Konsul Vohsen gegeben, in welche sogar der Rk, der britische Gk und General Matthews einbezogen wurden, mit dem Ergebnis, daß Sayyid Khalifa schließlich einen Spezialbefehl auch für den wâlî von Pangani ausstellte.[45]
Mit Überstellung des speziellen Sultansbefehls vom 15.8.1888,[46] welchem Mahnungen sowohl von Dr. Michahelles als auch des den abwesenden Konsul Vohsen vertretenden von St. Paul-Illaire begleiteten, etwaige Konflikte zu vermeiden, den wâlî nochmals eingehend über die neuen Verhältnisse aufzuklären und nur bei dessen fortgesetzter Widersetzlichkeit und Aufhetzung der Bevölkerung via Generalkonsulat (abgek.:Gkat) die Assistenz von S.M.S. Möwe zur Verhaftung und Verbringung des wâlî vor den Gerichtshof des Sultans nach Sansibar zu requirieren,[47] hatte Abdul Kaoni, die Existenz von Doppelbefehlen vorausgesetzt, nun die Absicherung erhalten, zumindest die Flaggenhissung mit Übergabefeierlichkeit geschehen zu lassen. Über diese berichtet von Zelewski am 17.8.1888 folgendes: Nach Beförderung der Sultansorder vom 15.8.1888 durch die Möwe auf Geheiß des ksl. Gkats und Aushändigung desselben an den wâlî, habe dieser sich „zu Allem bereit“ erklärt und nach Übereinkunft über Detailfragen wie tägliche Appelle etc. sogar von sich aus um Einteilung seiner Dienststunden gebeten. So konnte um 11 Uhr des 17.8.1888 „die Flaggenhissung in der vorgeschriebenen Weise vollzogen“ werden.[48]
Dazu hatte von Zelewski sogar „alle angesehenen Einwohner in das Gesellschaftshaus geladen, wo dieselben der Landessitte gemäß mit einigen Süßigkeiten, Kaffee etc. bewirthet wurden.“ Wie durch von St. Paul-Illaire angewiesen, war Abdul Kaoni nochmals befragt worden, ob er unter den erneut detailliert auseinandergesetzten Umständen, daß ab dem 16.8.1888 in Pangani durch von Zelewski „im Namen S.r Hoheit des Sultans“ die Verwaltung geleitet werde, im Dienst bleiben wolle, und hatte sich einverstanden erklärt. Daß ab diesem Zeitpunkt eine Befehlsverweigerung seine Verhaftung mittels eines deutschen Kriegsschiffes mit Beförderung nach Sansibar zur Aburteilung durch den Sultan zur Folge hätte, war ihm ebenfalls klargelegt worden. Als Zeugen dieser Unterredung fungierten die beiden anderen DOAG-Angestellten sowie ein Offizier der Möwe, welcher bei Weigerung des wâlî diesen sofort nach Sansibar vor den Sultan hätte bringen können.[49] Selbst Calvert beschreibt die Flaggenhissung in Kilwa, wo in der Folge die beiden DOAG-Beamten sogar ermordet worden waren, in der von der DOAG angegebenen Weise, obwohl schon allein die das zweiundzwanzigseitige Vorwort des Autors charakterisierende, krasse Diktion (vgl.: S.IX:„Teuton methods“, S.XII:„the hords of the Kaiser“ …) und entstellende, ohne jegliche Belege erfolgende Darstellung u.a. der Anfänge deutscher Kolonisation in Ostafrika diese Veröffentlichung als eines jener Kriegspropagandawerke ausweist, welche, wie z.B. das Blaubuch von 1918, in späteren Jahren sogar von den ehemaligen Feindstaaten als solche anerkannt worden sind.[50] Selbst die bei F.F. Müller erstmals veröffentlichte und am 14.9.1888 im ksl. Gkat überreichte Denk- bzw. Beschwerdeschrift der Pangani-Deputation, welche vielen späteren Veröffentlichungen als inhaltliche Hauptfundstelle, wenn nicht gar als einzige Aktenquelle, gedient hat, enthält keinerlei Kritik an der Flaggenhissungsfeier. Dadurch wirken die Beschuldigungen z.B. von Bennett („interference with the sultan’s flag“, ohne Beleg!), Clarke („they have insulted the inhabitants in their nationality by treating the flag of their late Sovereign the Sultan with every contempt“ mit Gerücht aus Sansibar als Quelle), Stoecker („Mißachtung der Flagge des Sultans“, ohne Beleg!), etc. noch unglaubwürdiger.[51]
Die weitere, nicht einmal mehr von Bennett übernommene Behauptung Calverts: „but in Pangani the inauguration … had to be effected under the guns of the ‚Moeve‘“, zerfällt zur Gegenstandslosigkeit, wenn man bedenkt, daß mit Ausnahme des Naturhafens von Daressalam das Meer vor den Küsten(städten) so seicht war, daß größere Schiffe wie z.B. die Möwe gezwungen waren, kilometerweit vom Strand entfernt vor Anker zu gehen, so daß Personen in Ermangelung von Landungsbrücken nur umständlich per langer Bootsfahrt durch die starke Meeresbrandung an Land gesetzt werden konnten. Aus diesem Grund hatte auch Major Wißmann, mit der Niederschlagung des „Araberaufstandes“ betraut, für diese Aufgabe Elb- bzw. Rheinschlepper etc. umbauen lassen, um bei deren geringem Tiefgang überhaupt in Ostafrika näher an den Strand heranzukommen.[52]
Kaum hatte jedoch die Möwe Anker gelichtet, ließ der wâlî dem Stationsvorsteher melden, „er wolle keinerlei „Dienstleistung für die Deutschen übernehmen“, ebenso reagierten die Akiden und Askaris.[53] So blieb von Zelewski – auch von den ansässigen Indern um Schutz gegen die marodierenden Askaris und anderes bewaffnetes Volk angerufen – nichts anderes übrig, als erneut gemäß der Instruktion vom 19.7.1888 um Absetzung und Abholung des wâlî zu bitten. Zu dieser Maßnahme, welche am 19.8.1888 S.M.S. Carola durchführte, war er als oberster Verwaltungsbeamter des Sultans in seinem Bezirk gegenüber einem Untergebenen, der sogar die (offiziellen) Sultansbefehle augenfällig mißachtete, sehr wohl berechtigt. Außerdem wies er ausdrücklich darauf hin, daß der personelle Ersatz unbedingt von einem höheren Sultansbeamten eingesetzt werden solle zum Zeichen der weiterbestehenden Souveränität des Sultans und des einvernehmlichen Wirkens der DOAG mit ihm.[54]
Nach Aktenlage und übereinstimmenden Aussagen von Zeitzeugen standen sich also folglich gegenüber: ein Sultan, dessen einflußreichster Ratgeber „Bakaschmar und mit ihm der Sultan entschlossen ist, seiner Seits Nichts dazu beizutragen, was unsere auf friedlichen Ausgleich gerichteten Bestrebungen unterstützen könnte. Diese am Hofe des Sultans zur Zeit vorherrschende Stimmung ist in der Stadt und auch an der Küste zur Genüge bekannt …“,[55] die DOAG, deren Repräsentanten sich einerseits tatsächlich zu bemühen schienen, auf die Küstenbevölkerung einschließlich deren bisheriger Verwaltungsorgane einzugehen, andererseits aber keine eigenen genügenden Machtmittel zur Verfügung hatten und wegen „der Gleichstellung der Gesellschaft mit anderen Reichsangehörigen“ nur den üblichen konsularischen Reichsschutz sich im Ausland befindender Reichsangehöriger beanspruchen konnten, d.h. im Falle einer (lebens-)gefährlichen Situation ihrer Beamten Beistand z.B. durch die Marine nur mit Einverständnis des ksl. Gkats erhalten konnten,[56] sowie Sultansorgane an der Küste, die wohl tatsächlich vom Sultan dem Wirken der DOAG entgegengerichtete Geheimbefehle erhalten hatten und – wie in Pangani – auch danach handelten.
Aus sachlich-logischen Erwägungen heraus, denn die Anschuldigungen selbst sind wieder ziemlich vage gehalten, lassen sich die wohl gravierendsten Vorwürfe gegen das Verhalten der Deutschen nun auch am ehesten an dem erwähnten Verhaftungsversuch des wâlî festmachen.
Nach einem Kurzbericht von Zelewskis vom 20.8.1888 war am Samstag, dem 18.8.1888, um 16 Uhr die Carola in den Gewässern vor Pangani erschienen. Nachdem Herr Sigl per Boot dem Kapitän Meldung von den neuesten Vorkommnissen erstattet und gebeten hatte, nun an Stelle der Möwe die mit Dr. Michahelles abgsprochene Verhaftung des wâlî und dessen Transport nach Sansibar zur Aburteilung durch den Sultan vorzunehmen, erfolgte nach erbetener Bedenkzeit seitens des Kapitäns Raven am Morgen des nächsten Tages, 6 Uhr 30, die Landung von 110 Mann. Dieselben trafen in der Stadt auf eine erhebliche Anzahl gutbewaffneter Askaris, welche die reichliche Zwischenzeit genutzt und sich gefechtsbereit sowohl in den Privathäusern neben der als auch in der Moschee (!) in der direkten Nachbarschaft des wâlî-Hauses verschanzt hatten. Allein das „energische und bestimmte Auftreten der Herren Officiere und ihrer Truppen“ habe jegliches Blutvergießen verhindert; vielmehr sei es gelungen, nach Erbrechen der Zugangstüren zum wâlî-Haus die überraschten Gegner zu entwaffnen; nach erfolgloser Suche wurde sodann vermutet, daß Abdul Kaoni sich rechtzeitig in die Moschee geflüchtet habe und inzwischen auch daraus durch eine der vielen Türen entwischt sei.[57] Tatsächlich hatten sich die Kampfwilligen um den wâlî inzwischen schon auf der außerhalb liegenden Schamba Buschiris gesammelt.[58] Ein Jahr später gab Buschiri Wißmann gegenüber sogar zu, Sayyid Khalifa habe ihm für den Fall, daß er die Deutschen bekämpfe, die wizâra über die gesamte Küste versprochen.[59]
Auf Bitten des Bezirkschefs verblieb dann für fünf Tage eine Wache von zehn, zuletzt 18 Mann in der Station, während der Rest auf der Korvette um 14 Uhr wieder das Gebiet verließ. Von Zelewski erwähnte noch: „Einflußreiche Leute hier versichern mir, daß sie froh seien den Liwali los zu sein und derselbe hier keine Unterstützung finden werde. Die Wahrheit dieser Aussage kann ich nicht bestäthigen.“ und bewies damit seine Fähigkeit zu einer kritischen Betrachtung.[60] Als zuverlässiger Vermittler zwischen Bevölkerung und Station an Stelle des wâlî fungierte seither Salim bin Ali, welcher als einer der reichsten Einwohner schon früher wâlî gewesen, doch – nach einem Gerücht, wie von Zelewski ausdrücklich hinzufügt – wegen seiner Deutschfreundlichkeit dem Sultan unliebsam gewesen und damit abgesetzt worden sei.[61]
In Anbetracht der weiteren Ereignisse – „Araberaufstand“ – zeigt sich bereits zu diesem Zeitpunkt eine G e s p a l t e n h e i t in der Bevölkerung Panganis, welche auch später noch andauerte. So urteilte noch 1889 Soliman bin Nassr: „Les gens de la côte … ignorent le véritable état des choses, ils croient qui les Allemands veulent la conquête du pays pour chasser à la longue les riches propriétaires et les dépouiller de leurs biens; ils … sont convaineus, que les Allemands sont les ennemis du Sultan, … que ce traité (der Küstenvertrag, d. Verf.) les riduira à la misère, chanqua leurs usages, ne respectira pas leurs croyanees, les dépossédera de leurs propriétés et de leurs esclaves … . Parmi les habitants de la côte et même des environs il y a cependant des gens très-sensés … ; malheureusement, d’une part leur nombre est relativement restreint … et d’autre part ils ne voient aucun encouragement du côté de Zanzibar.“[62] Dies läßt sich mit der Behauptung Müllers von einer „spontanen“, allgemeinen, nicht gesteuerten Volkserhebung gegen die Ausbeuterklasse nach marxistischer Ideologie, zu der er sich in diesem Zusammenhang nochmals eigens bekennt, oder der ganz ähnlichen Stoeckers nicht in Einklang bringen.[63]
Von Zelewski hatte für diese seine Schilderung der Vorgänge, welche zudem durch Berichte der Marine für das AA und die Admiralität in Berlin überprüfbar waren und auch eingehend geprüft wurden, keine Veranlassung, sie zu beschönigen. Eine Beschwerde gegen ihn lag nicht vor und in Vohsen als Adressaten wäre nach Müller ebenfalls nur einer der „Invasoren“ zu erblicken gewesen, von denen er schreibt, daß „die wahren Absichten der Fremden aus deren brutalem und prahlerischem Auftreten heraus“ für die Küstenbevölkerung klar ersichtlich gewesen seien.[64] Demnach wäre viel eher eine Prahlerei des Stationschefs damit zu erwarten gewesen, wie nachhaltig und drastisch er im Zusammenwirken mit der Marine das Küstengesindel das Fürchten gelehrt und zur Raison gebracht habe.
Unter Verweis auf Bennett, 1986, heißt es in einer neueren Veröffentlichung Deutschs: „ they (= the coastal people, d. Verf.) were extremly provoked by the appalling behaviour of some representatives of the company, which, according to one source, included the rape of women and the desecration of mosques.“[65] Noch vager und ohne Beleg stellt es Stoecker dar: „Verletzung der religiösen Gefühle der Mohammedaner“.[66] Bennett nun erwähnt als Beschuldigungen: „The Germans also outrageously abused their Arab host’s hospitality, ‚during his absence forcing his wives‘ … by violating the sanctity of the local mosque. ‚With dogs at their heels‘“.[67] Man beachte: aus der einen (!) lokalen Moschee bei Bennett ist bei Deutsch schon ein Plural geworden. Auch bezüglich der Hunde wird sich noch Gleiches herausstellen. Stoecker – wieder ohne Beleg – vertieft die „Entehrung“ der Moschee noch um den Vorwurf des Schuhetragens beim Betreten, welcher bei heutigen Lesern mit touristischen Besichtigungserfahrungen auch in muslimischen Ländern wohl geeignet ist, besonderen Abscheu hervorzurufen.[68]
Wendet man sich nun Bennetts Quellenbelegen zu, könnte man aus der stattlichen Auflistung unter Anmerkung neun zu Kapitel zehn auf besonders gut untermauerte Aussagen zum Nach- teil der DOAG schließen. Gut die Hälfte e n t f a l l e n aber als Belege für seine Behauptungen schon deshalb, weil sie Bennetts Aussagen eindeutig widersprechen, ohne als Gegenargumentationen kenntlich gemacht zu sein, z.B. Falkenhorst, welcher an der zitierten Stelle (S.78f) nach generellen Informationen zur Stadt Pangani gerade die friedliche Verwaltungsarbeit der DOAG herausstellt, welche erst durch die Rebellion zunichte gemacht worden sei. Von verursachenden Faktoren durch die DOAG ist dort nicht die Rede. Ebenso verhält es sich mit Förster, der eine korrekte, den Akten bzw. von Zelewski ent- und damit Bennetts Vorwürfen widersprechende Schilderung der Vorfälle in Pangani bietet, ganz andere Gründe für den Aufstand nennt – welche Müller wohl sofort unter „Geschichtsfälschung“ der „imperialistischen Kolonialgeschichtsschreibung“ subsummiert hätte, hätte er solche Quellen überhaupt herangezogen und einer Prüfung für Wert gehalten – und schließlich aufgrund seiner Analyse des Sachverhalts hervorhebt, daß „die Veranlassung des Aufstandes nicht in dem Auftreten und in den Maßregeln der deutschen Beamten gefunden werden darf.“[69] Marine-Zahlmeister Sturtz und Marine-Pfarrer Wangemann bieten einen kommentierten Fotoband, welcher nirgends mit Dokumentationen deutscher Missetaten aufwartet, vielmehr im Gegenteil, während die „DKZ“, eigentlich: Deutsche Kolonialzeitung, von 1888 wieder die Verhältnisse im gesamten Küstenabschnitt im Einklang mit den deutschen Berichten wiedergibt und somit keineswegs Bennetts Anklagen stützt. Ein weiterer Teil der Quellenbelege war leider schon allein wegen des – auch sonst – eklatanten Mangels genauer und vollständiger bibliographischer Angaben wie sie zum Standart moderner wissenschaftlicher Beiträge gehörten und nicht näher erklärter Kürzel auch mit viel detektivischem Engagement nicht aufzuspüren und damit leider auch nicht mehr zu überprüfen. Selbst ein Literaturverzeichnis fehlt. So konnte z.B. nicht einmal mit Hilfe der Leiterin des Zeitungs- und Zeitschriftenarchivs der Bayerischen Staatsbibliothek das ominöse „Statement of a Pangani man“ aus The World ermittelt werden.[70] Zur britischen Korrespondenz und dem Verweis auf die Pangani-Denkschrift vergleiche weiter unten. Bedauerlicherweise ist auch die von Bennett genannte britische Missionarszuschrift „Misdoings of the Germans“ – vgl. den für diese Studie gewählten Titel – wegen der unvollständigen Quellenangabe nicht heranziehbar.
F.F. Müller nun erweckt den Eindruck einer besonders gut abgesicherten Anklage, u.a. vor allem hinsichtlich der von ihm sogar als „Notzuchtexzesse von DOAG-Agenten“ betitelten Vorwürfe, indem er vorgeblich drei „verschiedene Quellen“ dafür vorbringen könne.[71] Bei näherer Untersuchung ergibt sich jedoch, daß diese Quellen auf derselben Vorlage beruhen, nämlich der als „1.“ erwähnten Pangani-Denkschrift, welche sowohl am 15. als auch am 16.9.1888 den einzigen Gegenstand der Audienzen bei Sayyid Khalifa gebildet hatte. An beiden Tagen wurden in Gegenwart Dr. Michahelles die Deputierten empfangen, während sich Vohsen um eine Anhörung der DOAG durch den Sultan zunächst mehrfach vergeblich bemühte, schließlich aber mit Hilfe des ksl. Gks endlich dennoch erreichte. Zugegen waren bei dieser außerdem gewesen: Konsul Vohsen, Dr. Michhelles und General Matthews, dem als Kiswahilidolmetscher die übellaunige und inobjektive Haltung des Sultans offenkundig besonders peinlich gewesen war.[72] Da es sich dabei um die einzige aktenkundige, inhaltlich passende Vorlage handelt, kann geschlossen werden, daß das Beschwerdetelegramm des Sayyid vom 3.10.1888 (= „2.“) darauf ebenso beruht wie die Times-Zuschrift des britischen Missionars Herbert H. Clarke vom 25.10.1888 (=„3.“), in welcher es heißt: „… news arrived in Zanzibar from one of these towns, Pangani“.[73] Für die „publizierten Aussagen verschiedener englischer Missionare“ bleibt Müller an der genannten Stelle im weiteren jedoch jegliche Belegangabe schuldig, so daß diese nicht nachgeprüft werden können.
Allein daraus wird schon ersichtlich, daß es sich bei Clarkes Aussagen nur um Hörensagen, Gerüchte, nicht aber um eine unmittelbare Quelle handelt. Woher letztlich die „Nachrichten“ stammen, welchen Weg sie genommen haben etc., bleibt im Dunkeln. Clarke gibt selbst zu, Pangani nur von einem Kurzbesuch im März 1888 her zu kennen. Seine Missionsstation, Hauptstation der Universities‘ Mission to Central-Africa, lag in Magila in Usambara, 40 engl. Meilen, d.h. nach damaligen Verhältnissen etwa zwei Tagesreisen von Pangani entfernt, denn eine andere Verbindung bestand damals noch nicht.[74]
Zur Thematik bemerkt er: „Next, they have insulted them in their families; they entered private houses and assaulted and degraded the women with open indecency …“(S.13). So gravierend diese Vorwürfe auch sind, von Vergewaltigung ist nicht die Rede, sie müßten erst mit Phantasie in die Wortwahl hineininterpretiert werden.
Hier taucht auch die Behauptung auf: „They have insulted their religious feelings, taking dogs (the abhorrence of Islam) into the mosques“. Man beachte zweimal den Plural, welcher der Tat, die als absichtliche Kränkung dargestellt wird, noch eine Art Regelmäßigkeit hinzufügt. Auch Stoecker übernimmt die Behauptung, ebenfalls ohne nachvollziehbare Belegstelle, genauso wie Bennett.[75] Allein Müller weist in einer Fußnote darauf hin, daß der Hund von Zelewskis, Singular, diesem in die Moschee, Singular – vgl. die räumliche Nähe der von Askaris besetzten Moschee in der Nachbarschaft des wâlî-Hauses oben, S.10f – nachgelaufen (!) sein soll, „ein Vorfall, der die religiösen Gefühle der Moslim gröblich verletzte.“[76] Einen Quellenbeleg dafür muß er schuldig bleiben, denn nicht einmal die Pangani-Denkschrift enthält diesen Klagepunkt.
Auffällig bleibt generell, daß Clarke sich meist mit wenig griffigen Umschreibungen um konkrete Angaben herumlaviert. Den aufrüttelnden Predigtstil, einer ciceronischen Philippica gleich, unterstreichen denn auch Äußerungen wie: „What is the Chritianity this German Com- pany has recently exhibited … . Christians must not allow the name of their Master to be used as a cover for iniquity. Would that the whole Christian world could be stirred up in protest against it. … . Is that spreading the Gospel … ?“ Die DOAG-Angestellten sind ihm generell „evil-doers“, gekennzeichnet durch „wickedness“, ihre Tätigkeit: „the bitterest and deadliest blow to civilisation“ etc., um am Ende die Motivation für sein Schreiben klar auszusprechen: „ought we not as Christians and Englishmen to demand … that England will not suffer … .“[77] So erweckt der ganze Artikel eher den Anschein der Aneinanderreihung wüster Beschimpfungen und extremer Bilder denn konkreter, überprüfbar gestalteter, objektivierbarer Feststellungen in einem sachlichen Tatsachenreport. Die DOAG wird zum Teufel in persona hochstilisiert, demgegenüber die gesamte Christenheit zusammenstehen müsse, um ihn zu bekämpfen bzw. einem wild über muslimische Einwohner herfallenden Kreuzfahrertrupp des Mittelalters gleichgesetzt.[78] Auch die Form der Zuschrift ist auffällig: obwohl hier nicht der Ort für eine regelrechte Textanalyse ist, muß dennoch festgehalten werden, daß sich eine solche wegen der Fülle raffiniert eingesetzter rhetorischer Stilmittel und des kunstvollen Gesamtaufbaus als Paradebeispiel politischer Agitation lohnen würde. Mit diesen Feststellungen einher gehen Berichte verschiedener Provenienz, welche englische Missionare direkt als „colonial agents“ für das britische Empire, den großen Rivalen Deutschlands in Ostafrika, charakterisieren.[79] So bemerkte MdR Oechelhäuser in der Reichstagssitzung vom 29.1.1889: „Man berufe sich immer auf die Berichte der Missionare. … . Wer aber den Neid und die Eifersucht der Missionare gegen einander, vor Allem der englischen Hochkirchlichen kenne, werde diese Quellen vorsichtig prüfen.“[80] Vohsen erwähnt, daß der vormalige britische Gk Dr. Kirk u.a. mit Hilfe der seit 1875 etablierten Missionsgesellschaften beabsichtigte, „einen neuen Schritt vorwärts zur völligen Besitzergreifung der Küste seitens Englands zu thun“.[81] Großbritannien gebe hierfür immense Summen aus, was Vohsen mit Zahlenmaterial anschaulich nachweist, so daß er konstatiert: „Diese Gesellschaften (d.i. brit. Missionsges.n, d. Verf.) laufen dadurch ein großes Risico, ihre Einkünfte schnell schwinden zu sehen und die Gefahr ihres finanziellen Ruins im Auge, ist es erklärlich, daß sie alles aufbieten, um den alten Status zurückzuführen und den englischen Einfluß wieder auf Kosten der Deutschen zu heben. Die Sprache des Bischofs Smithie (?, d. Verf.) in der Times und ein Nachtrag zu dem Jahresbericht 1887 lassen darüber auch keinen Zweifel aufkommen.“[82]
Beide Umstände wecken demnach erhebliche Zweifel an der Glaubwürdigkeit des im Artikel Mitgeteilten.
Auch die von der Pangani-Deputation im ksl. Gkat überreichte Denkschrift ist auf ihre Weise kunstvoll. Ohne jeglichen Abgleich mit den vielfältigen anderen Schriftstücken unterschiedlichster Provenienz zum Sachverhalt, welche – z.B. als eingeforderte Berichte – detaillierte und somit nachprüfbare Angaben enthalten, und ohne Betrachtung der Vorgeschichte der Ereignisse, kann sie tatsächlich den Eindruck erwecken, es handle sich in ihrer Darstellung um Abläufe mit innerer Wahrscheinlichkeit und Logik. Doch dieser Eindruck täuscht.
Allein die Untersuchung der Zeitangaben offenbart eine geschickte Manipulation: Das erste Datum, das der Ankunft der Deutschen, ist eindeutig festgelegt mit 6.8.1888 (R-406, RS.110), das nächste lautet auf: „Sonntag, dem Festtage,“(S.111), dann: „Gegen Abend“(S.111), danach: „Am 3.ten Tage (Montag)“(RS.111), dann: „Am 12.Ethagg“(RS.111)[83], schließlich folgt der an dieser Stelle kenntlich gemachte Zeitsprung „bis an dem Tag der Ankunft der Soldaten von Zanzibar“(RS.111), welche nach von Zelewskis Bericht am 1.9.1888 abgeschlossen war.[84] Dazwischen wird die Bemerkung eingestreut: „An jedem Tage Morgens kam er (: v. Zelewsky:) mit 12 Soldaten, Christen, heraus, gingen dann im Orte herum, ebenso in der Umgegend, ergriffen die Frauen, welche dorther kamen oder dorthin gingen und trieben mit ihnen was sie wollten. Wurden sie gefragt, so sagten sie (Deutsche) Das ist so deutsche Art.“(RS.111).
Demgemäß schiene bis zur Angabe des Zeitsprungs auf RS.111 nur ein Zeitraum von drei Tagen vergangen und die verschiedentlich gemachten Vorwürfe eines „zu schneidigen oder forschen Vorgehens“ der DOAG-Angestellten würden hiermit auf besonders makabre Art ihre Stütze finden.[85] Der Abgleich mit dem amtlichen Datenmaterial verifiziert zwar, wie schon geschildert, den Landetag vom 6.8.1888 für von Zelewski und Sigl. Die Ausbootung des Marinelandecorps der Carola, welche am 18.8.1888 Anker geworfen hatte, erfolgte aber, wie ebenfalls schon dargelegt, erst am Sonntag, dem 19.8.1888. Somit kann der darauffolgende Montag aber unmöglich der „dritte Tag“ gewesen sein, etc.! Dadurch allein schon geraten aber behauptete Handlungsabfolgen, also Ursache-Wirkungsverhältnisse durcheinander, wie im weiteren Verlaufe deutlich wird.[86]
Gleich eingangs wird sodann eine Fehlinformation eingestanden: angeblich habe der wâlî nämlich die bei ihm versammelten „Fremden aus arabischen (sic!) Blut, Schachranen, Komorensen und Suaheli“ nur von einer Übernahme der Zoll-, also nicht der gesamten -verwaltung durch die DOAG mündlich in Kenntnis gesetzt, ein Sultansdekret hätten sie auch auf Bitten von diesem nicht zu sehen bekommen.[87] Unter Zugrundelegung der eingangs dargelegten, umfassenden Informationsarbeit, welche durch die DOAG im Vorfeld der Verwaltungsübernahme geleistet worden ist, wirkt diese Behauptung der geglückten Täuschung gerade dieses Personenkreises durch den wâlî eher zweifelhaft. Ob aber die Versammelten ihrerseits im Einverständnis mit dem wâlî oder aufgrund von Täuschung den nicht Lesekundigen aus den Reihen der abwesenden „Küstenleute (Waschensis oder Suan Afrikaner)“[88] ein falsches Bild weitervermittelt haben, bleibt im Ergebnis gleich. Beides entspricht der oben zitierten Einschätzung von Soliman bin Nassr, daß die Küstenleute die wahre Lage der Dinge verkennten, falsche Vorstellungen an die deutsche Verwaltungsübernahme knüpften und nur wenige, welche damit der Friedenspartei zuzurechnen seien, „vernünftig“ seien, also ohne falsche Vorbehalte gegen die Deutschen. Soliman führt dabei die gesteuerte Fehlinformtion direkt auf den Sultan bzw. Bakaschmar zurück, welch letzterer die Politik lenke, dem aber an einer Einigung mit Pangani nicht gelegen sein könne.[89] Sowohl in der Denkschrift selbst, als auch durch Seid Betcha gegenüber Vohsen wird schließlich als Rebellionsgrund einzig der Umstand genannt, weiterhin Untertanen des Sultans bleiben und nicht solche der Deutschen werden zu wollen.[90] Auch Soliman bin Nassr bestätigt diese, allerdings auf der erwähnten Fehlinformation beruhende Einstellung: „Ils sont persuadés également qu’ils font acte de patriotisme en se soulevant, qu’ils entrent dans les vues du Souverain et enfin qu’en agisfant autrement ils Lui désobéiraient. N’est il done pas nécessaire de les en dissuader?“[91]
Ohne auf die bekannte Affaire des „Honny soit qui mal y pense“ Bezug nehmen zu wollen, muß doch festgestellt werden, daß die Gleichsetzung der Angabe „trieben mit ihnen, was sie wollten“ und Vergewaltigungen im Sinne des Tatbestandes des deutschen Strafrechts bloße Spekulation ist.[92] Ebenso könnte man hineininterpretieren, daß etwa bei der Verhaftungsaktion des wâlî weibliche Zivilpersonen zu ihrer eigenen Sicherheit durch das Marinelandecorps aus dem zwischen diesem und den auf sie zielenden Aufständischen gelegenen Schußfeld gewiesen worden seien. Außerdem ist es auch von den Zahlenverhältnissen her höchst unwahrscheinlich, daß – wie bereits geschildert – der Offizier von Zelewski mit seinen beiden Kollegen und nur acht oder neun Gesellschaftsaskaris, welche nicht einmal die nötigsten Wachaufgaben vollständig zu erfüllen vermocht, geschweige denn Verwaltungsanordnungen hätten durchsetzen können,[93] sich derartige Pflichtverletzungen hätten leisten und dabei gegen die dem wâlî ergebenen, ihnen aber feindlich gesinnten Askaris sowie die hervorragend bewaffneten Händler der Stadt mit ihren zahlreichen Sklaven hätten behaupten können.[94] Solch absurde Neglegierung simpler Kräfteverhältnisse kann gerade einem Offizier nicht unterstellt werden und klingt auch in von Zelewskis Briefwechsel mit der Generalvertretung nirgends an, vielmehr gerade das Gegenteil.[95] Wangemann, der Marinepfarrer des Flagschiffes, dessen Kommandanten regelmäßig von den Ereignissen an Land Bericht erstattet wurde, teilte sogar aus den Schilderungen eines Teilnehmers dieses Marinelandecorps mit, daß nach vergeblicher Suche nach dem entflohenen wâlî sogar ein von der DOAG spendiertes friedliches Picknick der Mannschaft vor dem Gesellschaftshaus stattgefunden habe, neugierig beäugt von der umstehenden Menge schwarzer Stadtbewohner, während der andere Bevölkerungsteil sich, speziell während der Patrouillengänge, in die Häuser zurückgezogen hatte.[96] Es waren also entweder überhaupt keine Frauen auf den Straßen oder sie beobachteten interessiert zusammen mit den männlichen Einwohnern die kochenden und essenden Matrosen; von Übergriffen auf sie, speziell Vergewaltigungen, ist nirgends die Rede. Dabei bemerkt Wangemann: „Und doch hätte uns schon ein geringer Widerstand in den kaum zwei Schritt breiten Gassen erhebliche Unannehmlichkeiten verursachen können.“[97] Zudem drängt sich die Frage auf, warum Seid Betcha als Abgesandter der Aufständischen von Pangani am 6.9.1888 an Bord der Barawa dem Generalvertreter Vohsen, der eigens gekommen war, um persönlich die Vorgänge zu untersuchen und eine friedliche Einigung mit der Bevölkerung herzustellen, auf dessen Erkundigung, was denn kürzlich vorgefallen sei, geantwortet hatte: „Es hat sich nichts Besonderes ereignet …“, wenn sich in Pangani deutscherseits tatsächlich täglich derartige Verbrechen abgespielt hätten.[98] Auch seitens der indischen Kaufleute liegt bis zum Abzug der DOAG-Beamten am 8.9.1888 keinerlei Hinweis auf derartigeVorkommnisse vor, obwohl sie als britische Untertanen durch eine bloße Meldung an ihr Gkat dessen schon erwähnte Versuche, den britischen Einfluß in Ostafrika auf Kosten des deutschen auszudehnen, einerseits argumentativ bestens hätten unterstützen können bzw. andererseits damit bei nachweisbaren Übergriffen auf deren Frauen mit Sicherheit ernsthafte diplomatische Schwierigkeiten mit der Weltmacht Großbritannien ausgelöst hätten.[99]
Nach Angaben der Denkschrift seien nun am „Sonntag, dem Festtage“ hundert oder mehr christliche Marinesoldaten zusammen mit dem „Chef der Zollverwaltung nebst seinem Stellvertreter“ auf der Suche nach dem wâlî während des Gebets in die Moschee eingedrungen, aber nach Erklärung, der wâlî befinde sich nicht darin, wieder abgezogen. Eine Anschuldigung wegen Betretens mit Schuhen, Hunden etc. fehlt gänzlich! Die weitere Suche habe sie nach „Zerbrechen“ der Haustüre in ein Privathaus und ein Regierungsgebäude geführt, in welch letzterem sie die dort Angetroffenen „gedrängt“ hätten, Auskunft über den Verbleib des wâlî zu geben. Von tätlichen oder gar sexuellen Übergriffen auf dieselben ist aber nicht (!) die Rede. Allerdings seien dabei auch ohne Erlaubnis „Geheim-Zimmer“ durchsucht sowie der Akida und seine Soldaten geschlagen und entwaffnet, anschließend das Fort zerstört und die (Ketten-)Gefangenen freigelassen worden.[100]
Betrachtet man diese Angaben näher, ist bezüglich des Eindringens während des Gebetes an einem Festtag, ein Umstand, der unbestreitbar die Schändlichkeit des Vorgehens unterstreichen soll, nur verifizierbar, daß es sich beim 19.8.1888 um den 12. dû l-ḥiǧǧa gehandelt haben könnte. Zwar gibt Ruete an, daß auf Sansibar das sogenannte Große Fest, ‘îd al-ḥiǧǧa, drei bzw. sieben Tage lang gefeiert worden sei, allerdings waren für solche Tage keine speziellen Riten, z.B. besondere, gemeinschaftlich in der Moschee zu verrichtende Fest-ṣalât vorgesehen.[101] Eine besondere kultische Handlung konnte also offensichtlich nicht gestört worden sein. Betende in der Moschee anzutreffen, ist natürlich immer möglich. Da der Beginn der Landung am Flußufer für 5.30 Uhr bzw. 6.30 Uhr feststeht, wäre nach Frau Ruetes Angaben auch die Zeit für das pflichtgemäße Morgengebet verstrichen gewesen.[102] So erscheint von Zelewskis Rechtfertigung glaubhaft, es sei kein Gebet gestört worden, vielmehr habe er sich vor Betreten der Moschee bei Arabern informiert, ob der wâlî sich darin aufhalte. Einer habe behauptet, er habe den wâlî auf deren Dach gesehen. „Ich theilte dies einigen Moscheebesuchern mit. Darauf wurde ich von unseren Arabern aufgefordert, mich von der Anwesenheit des Liwali zu überzeugen. Darauf hin betrat ich mit mehreren Marinesoldaten, etwa 8-10 die Moschee, nachdem wir uns des Schuhzeuges entledigt hatten. Vor einem jeden Raum stellte ich die Frage, ob es erlaubt sei einzutreten. Gerade in Betreff des Eindringens in die Moschee ist mir zum Oefteren von Arabern gesagt worden: Wir sehen, daß Du unsere Religion kennst und ehrst. Das ist schön von Dir.“[103]
Die routienemäßige Inspektion der Gefangenen mit Prüfung der Strafgründe bei Amtsantritt hatte von Zelewski ebenso wie die Flaggenhissung aufgeschoben, bis alle vom wâlî geforderten Zusatzbefehle des Sultans vorgelegen hatten (s.o.). Laut Bericht von Zelewskis vom 20.8.1888 verweigerte jener nach Abfahrt der Möwe jedoch auch diese Inspektion mit den Worten: „er gäbe die Schlüssel nicht heraus, ich möge versuchen die Thür zu sprengen. Ich trat an die Thür und überzeugte mich, daß dieselbe verschlossen war. Ich machte das ruhig und durchaus nicht gewaltsam.“[104] Diese erneute Weigerung wird zusätzlich nachvollziehbar durch von Zelewskis Aussage: „Ich habe dieselben (= die Gefangenen, d. Verf.) später entlassen, da keiner derselben ein Verbrechen begangen hatte … . Bei einigen konnte mir selbst von dem Aufseher kein Grund für ihre Inhaftierung angegeben werden. Die Leute befanden sich außerdem in einem so elenden körperlichen Zustand, daß ein längeres Festhalten derselben entschieden von Gefahr für ihr Leben gewesen wäre.“[105] Durch den Sultan oder seine Organe angedrohte bzw. ausgeführte, willkürliche Sanktionen gegen Personen, die den Boykottaufrufen gegen die Fremden nicht gefolgt waren, wurden mehrfach beschrieben.[106] Es wäre also verständlich gewesen, daß der wâlî eine Aufdeckung dieser Praxis in seinem Amtsbereich zu verhindern getrachtet hätte.
Ebenso erscheint bei Vorliegen eines gültigen Haftbefehls das Eindringen in durch kampfbereite wâlî-Askaris besetzte Häuser mittels gewaltsamen Öffnens der Eingangs- oder weiterer Zimmertüren vertretbar, wenn, wie geschehen, auch nach wiederholter Aufforderung der Zutritt dazu verwehrt wird, sowie die Abwehr von Angreifern und deren anschließende Entwaffnung. Dennoch sei dabei „Niemand geschlagen oder sonst mißhandelt worden.“ Auch die Waffen wurden nach Verlassen des Gebäudes den Besitzern wieder zurückgegeben. Im öffentlichen Verwaltungsgebäude, das dem wâlî zur damaligen Zeit als Wohnung diente, „haben wir den Frauen zuerst Zeit gegeben sich zu verbergen und zu verhüllen“ heißt es weiter im Bericht.[107] Unter solchen Umständen wäre auch gegen das Vordringen in die Privaträume, also den harîm eines arabischen Hauses, nichts einzuwenden. Damit wird auch deutlich, daß bei der Aktion nicht willkürlich irgendwelche Häuser gestürmt oder deren Bewohner belästigt worden sind, wie Autoren gleich Bennett, Clarke oder Pakenham (vgl.o.) glauben machen wollen. In der Denkschrift-Passage, daß Frauen „gedrängt“ worden seien, Auskunft über den Verbleib des Abdul Kaoni zu geben, ist demnach wohl auch der zweite Ausgangspunkt für die behaupteten sexuellen Übergriffe zu sehen, da keine weiteren Anknüpfungspunkte existieren. So erklärt von Zelewski im Bericht vom 16.9.1888 auch bzgl. der Patrouillengänge ausdrücklich: „Bei den Marinesoldaten befand sich stets ein Stationsbeamter, damit keinerlei Reibungen vorkommen sollten. Ich erkläre es als unwahr, daß Frauen oder Mädchen irgendwie durch Thaten oder Worte belästigt oder beleidigt worden sind.“[108] Der österreichische Forscher Dr. Oscar Baumann, welcher zusammen mit der Karawane Dr. Meyers gerade mehrere Tage in Pangani weilte, um astronomische Beobachtungen anzustellen, berichtet nicht nur nichts von irgendwelchen Verstößen der Deutschen, sondern vermerkt vielmehr über deren Verwaltungspraxis: „Dies alles geschah so ungestört und ruhig, dass wohl Niemand … den Ausbruch eines so heftigen Aufstandes ahnen konnte.“[109]
Verständlich wäre es auch, wenn die die Moschee und deren Nachbarhäuser besetzt haltenden Askaris ihre Entwaffnung durch die deutschen Marinesoldaten im nachhinein lieber als Folge einer tätlichen Auseinandersetzung, d.h. Kampfhandlung, geschildert gesehen hätten, so wie in der Denkschrift geschehen, denn als Ergebnis eines Überraschungsmoments. Zudem weist von Zelewski auf die leicht verifizierbare Tatsache hin, daß in Pangani gar kein Fort stand, das hätte zerstört werden können.[110]
Daß sich die Mannschaft allein auf die Festnahme des wâlî konzentrierte, zeigt, daß sie sich durchaus n i c h t kampfeslüstern oder sozusagen säbelrasselnd in ein Gefecht mit den kampfbereit verschanzten Askaris gestürzt hat. Dies und zwar mit dem Ausgang eines siegreichen Massakers über die zahlenmäßig mehrfach überlegene Feindesphalanx[111] in Pangani wäre jedoch unabdingbar nötig gewesen, um auch nach Gesetzen der Logik überhaupt erst die Möglichkeit erhalten zu haben, all die den Deutschen zur Last gelegten vehementen Bedrückungen der Bevölkerung, Übergriffe auf dieselbe oder gar die Müllerschen „Notzuchtexzesse“ verüben zu können. Die einzige in diesem Zusammenhang in die Akten aufgenommene „Vergewaltigung“ ist denn auch die einer F a h n e.[112] Von Autoren des späteren 20.Jh.s wird nämlich bisweilen die Tatsache übersehen, daß sich inzwischen der Bedeutungsgehalt mancher deutscher Wörter geändert hat: so bezeichnete der bzgl. der Tatbestandsbeschreibung im wesentlichen gleichgebliebene §177 des Reichsstrafgesetzbuches als „Notzucht“, was im heutigen Strafgesetzbuch „Vergewaltigung“ heißt, im Kaiserreich bedeutete letzteres jedoch „Gewaltthätigkeit“ bzw. ein gewaltsames Vorgehen an sich.[113]
Völlig unglaubwürdig wirkt sodann die Behauptung, daß einerseits von den DOAG-Beamten eine Art Volksversammlung einberufen worden sei, um deren Zustimmung zur Verwaltungsübernahme einzuholen, welche zudem nach Maßgabe des Küstenvertrages gänzlich überflüssig war, dieselben den Pangani-Beschwerdeführern zufolge aber andererseits behauptet hätten, „sie (Deutsche) seien Seyd Khalifa“ oder „Er sagte (mündlich): Diese Länder gehören … mir.“[114] Von Zelewski bemerkte denn auch dazu: „Ich habe nicht einmal, sondern wenigsten 50 mal vor Versammlungen von einzelnen Arabern, Indiern, Suaheli, von den Soldaten und ihren Akidas die Erklärung abgegeben: ‚Ich bin ein Mann von Said Chalifa. Said Chalifa ist mein Herr. Ich bin hier nur der erste Beamte von Said Chalifa.‘“ und später: „Ich kann nicht genug wiederholen, daß ich stets mit der größten Achtung den Willen und die Person des Sultans hervorgehoben habe, daß ich zum Oefteren unsere Achtung vor den Sitten und Gebräuchen der Mohamedaner betont habe.“[115] Damit bekannte er sich hinsichtlich der Souveränitätsfrage ganz zur Vorgabe des Küstenvertrages und den Proklamationen der DOAG.[116] Bekräftigt wird dieses Verhalten auch durch eine Passage des Berichts vom 24.8.1888, also v o r Erstellung der Denkschrift, in welchem von Zelewski, um überhaupt die Durchführung von Verwaltungsanordnungen trotz Verweigerungshaltung des wâlî und seiner Askaris gewährleisten zu können, zum wiederholten Mal die Anmietung von (regulären) Sultanssoldaten aus Sansibar erbittet, mit der Begründung: „so würde andererseits, wenn dieselben uns unbedingt unterstellt werden, es dennoch der Bevölkerung am besten klar werden, daß wir im Einverständnis mit S.r Hoheit Land verwalten.“[117] Dies mag nicht recht zu der Behauptung passen, die Deutschen hätten sich wie die Herren geriert.[118]
Nachzutragen wäre noch, daß sich auch in der neueren Literatur immer noch die Angabe findet, die Einführung weiterer neuer und schikanöser Verordnungen durch die DOAG-Beamten habe den Küstenaufstand ausgelöst, darunter eine Kopfsteuer,[119] eine Begräbnis- und Erbschaftssteuer,[120] zusätzliche Verzollung,[121] eigenmächtige Beschränkung der Gerichtsbarkeit des qâdî nur auf das Familienrecht.[122]
Tatsächlich waren dem ksl. Gkat durch die DOAG-Generalvertretung „Allgemeine Instruktionen für die Erhebung und Verwaltung der Zölle“, „Provisorische Instruktionen für die Chefs der im Festlandsgebiete des Sultans gelegenen Küstenstationen, betreffend die politische und die Justizverwaltung “ sowie drei Verordnungen zur Weiterleitung an das AA sowie letztere auf Wunsch des Rk zur Prüfung durch das Reichsjustizamt eingereicht worden.[123] Davon traten in einem Bezirk nur die Verordnungen der Generalvertretung in Kraft „mit dem Tag ihrer Veröffentlichung resp. ihres Anschlages und ihrer Publikation durch Ausruf“, sonst nicht.[124]
Hinsichtlich der Verzollung bestimmt die Verordnung Nr.1 an verschiedenen Stellen, daß „der Zollbetrag in Gemässheit des Vertrages“ und nach der „im Zollhaus angeschlagene(n) Liste“ zu bezahlen sei, welche „mit den Zanzibar Zollhaus Preisen übereinstimmend“ sein sollte; in Sansibar hatte dann der Händler die zuvor von der deutschen Zollbehörde ausgestellte Deklaration „dem Zollbeamten Seiner Hoheit des Sultans als Beweis der richtigen Zahlung abzuliefern“[125] Die Erhebung von Sonder- oder Zusatzzöllen war somit ausgeschlossen, ja sogar eine Kontrolle durch einen Sultansbeamten auf Sansibar vorgesehen.
Als einzige Verordnung – im Bericht vom 24.8.1888 „Bekanntmachung“ genannt – hatte von Zelewski bislang nur diejenige bzgl. der Gerichtsbarkeit erlassen (können) „und hat dieselbe einen guten Eindruck gemacht. Einzelne Streitfälle haben bereits meiner Entschließung vorgelegen und haben die Parteien dieselbe als zufriedenstellend angenommen.“[126] Hinsichtlich der Zuständigkeit galt laut Vohsens Verordnung Nr.2: „Alle Klagen, welche n i c h t unter die Juridiktion einer europäischen Macht (= Konsulargerichtsbarkeit, d. Verf.) oder in den Wirkungskreis des vom Sultan zu ernennenden Kathi fallen, sind bei diesen Sitzungen vorzubringen … .“(Hervorhebung d.Verf.)[127] Vor diesem Hintergrund ist es unverständlich, wie Sippel zu folgenden Behauptungen kommt: „Nach den Vorstellungen des DOAG-Generalbevollmächtigten sollte das islamische Recht … nur noch für ehe-, familien- sowie erbrechtliche Angelegenheiten durch den Kadi Anwendung finden“ woraus er eine, auf verwerfliche Bereicherung und Ausbeutung ausgerichtete Jurisdiktion der DOAG ableitet sowie einen folgenschweren Identitätsverlust der Küstenbevölkerung.[128] Daß landfremde Christen sich angemaßt hätten, über „nach Islamischem Recht zu beurteilende Sachverhalte“ zu richten , so Sippel weiter, habe die muslimische Bevölkerung aufgebracht und sei so ein entscheidender Grund für den Aufstand gewesen.[129] Außerdem hatte Vohsen schon in seinen Instruktionen für die Bezirkschefs vom 19.7.1888 verfügt, daß nur durch Veröffentlichung mittels Anschlag und Ausrufung eine Verordnungen der Generalvertretung in einem Bezirk in Kraft treten könne.[130]
Die Gerichtsbarkeit des Bezirkschefs hatte von Zelewski – wie aus dem Monatsbericht vom 31.8.1888 zu ersehen ist – in einer für die Übergangszeit wohl vorbildlich zu nennenden Wei- se umgesetzt. Er votierte „dafür, die Jumbes, Aeltesten ihre Dörfer nach ihrer Weise leiten zu lassen und nur Verbrechen und Zuwiderhandlungen gegen Vorschriften der Gesellschaft (al- so das Verwaltungsrecht, d.Verf.) vor den Bezirkschef zu bringen.[131] Von der späteren Handhabung während der Kolonialzeit unterschied sich dessen Gerichtsbarkeit – außer hinsichtlich der wesentlich eingeschränkteren Zuständigkeit – bzgl. des Aspekts der Gerichtsverfassung gerade darin, daß sich das Gericht unter Vorsitz des Bezirkschefs Vohsens Instruktionen gemäß aus den jeweils angesehendsten Arabern und Indern zusammensetzte, wobei der Schuldspruch durch Stimmenmehrheit (!) erfolgte; das Strafmaß wurde gemittelt aus den Anträgen der arbischen und indischen Fraktion und dem des Bezirkschefs.[132] Dabei wertete Dr. Michahelles gerade frühere Offiziere für eine richterliche Funktion als besonders geeignet, da jene während ihrer Militärlaufbahn zwangsläufig ein „gerichtliches Verfahren im Allgemeinen kennen gelernt haben.“[133] Daß von Zelewski mehrfach von streitenden Parteien als Schiedsmann angegangen wurde, spricht für ihn.[134]
Auch die Angelegenheit der Registrierung des in Privathand befindlichen Grundbesitzes gestaltete sich anders als in der Denkschrift behauptet und durch spätere Autoren[135] ungeprüft übernommen: Die Verordnung Nr.3 hatte die Erstellung eines Grundbuches zur Feststellung und dem Schutz von Privateigentum zum Gegenstand.[136] Erst danach konnten und sollten – juristisch korrekt – Landankäufe durch die DOAG getätigt werden. Doch bemerkt von Zelewski im Bericht vom 24.8.1888: „Die Bekanntmachung, die Grundbücher betreffend, halte ich noch einige Tage zurück, um den Leuten Zeit zu lassen, sich in die neuen Verhältnisse zu finden.“[137] Auch Inder hatten um Grundbucheinträge nachgesucht.[138] Noch am 31.8.1888 stellt der Stationschef fest, daß sich wegen der schwierigen Ermittlung der Besitzverhältnisse die Angelegenheit noch hinziehen werde. Die Grundlosigkeit auch dieser Beschuldigung der DOAG in der Denkschrift unterstreicht zudem Soliman bin Nassrs Angabe, daß sogar diesbezüglich die Küstenleute falsche Vorstellungen gepflegt hätten.[139] Ebenfalls übergangen wurden von jenen Autoren die Aufschlüsse, welche z.B. auch die DOAG-Direktion/Berlin dem AA dazu gab. So sei gerade diese Verordnung schon während der Küstenbereisung im Vorfeld der Verwaltungsübernahme durch den offiziellen Sultansvertreter der Bevölkerung vorgestellt, erläutert und zur Diskussion gestellt worden; doch keinerlei Einwand (!) sei erhoben worden.[140]
Ebenso habe es eine „Todes“- oder „Transportsteuer“ weder gegeben noch sei derartiges geplant gewesen. Allerdings sei auf den besonderen Antrag (!) von Händlern hin gegen die geringe Gebühr von weniger als einem Drittel Rupie (20 Piaster) ein „Segelerlaubnisschein“ ausgestellt worden, um denselben bei Leerfahrten oder Ladung mit zollfreien Waren eine Zollinspektion zu ersparen, doch für Pangani ist diese Praxis nicht dokumentiert.[141] Tatsächlich findet sich in der umfang- und detailreichen Korrespondenz zwischen der Station Pangani und der Generalvertretung in Sansibar keinerlei Niederschlag der behaupteten anderen Abgaben etc. Erkundigungen seitens des Gks lieferten keinen Fall zutage, so daß dieser bemerkte: „Wenn sie (d.i. die Beschwerde bzgl. der „Todessteuer“, d.Verf.) nicht völlig aus der Luft gegriffen ist, so muß ein Mißverständnis vorliegen, …“ und hinsichtlich der Transportabgabe: „daß dieser Beschwerdepunkt nur böswilligen Entstellungen seinen Ursprung verdankt.“[142] Wie die DOAG-Direktion in ihrer Stellungnahme dem AA gegenüber bemerkte, sei jede tatsächlich beabsichtigte Verordnung zuerst zur Prüfung dem Gkat und dem Sultan zugegangen, „um jedweder ungünstigen Auswirkung dieser auf die Küstenbevölkerung vorzubeugen.“[143] Doch auch in den regelmäßigen ausführlichen Berichten des Gkats an das AA scheinen derartige Anordnungen nicht auf. Zudem seien die Bezirkschefs angewiesen gewesen, vor Einführung von Neuerungen diese zuvor mit den Ortsältesten auf ihre Zweckmäßigkeit hin zu besprechen und deren Wünsche und Empfehlungen dabei zu berücksichtigen; diese Praxis wurde auch in der Kolonialzeit noch beibehalten.[144] Nach Eingang aller eingeforderten Berichte kam so das AA zur Auffassung, daß „die Menge“ wegen des die Lesefähigkeit im allgemeinen nicht einschließenden Bildungsgrads der Küstenbevölkerung „bereit“ war, „Alles zu glauben, was ihr von böswilligen Leuten über den angeblichen Inhalt (erg.: einer Verordnung, d.Verf.) mitgetheilt wurde.“[145]
Von Zelewskis und Konsul Vohsens Einstellung hinsichtlich der Art des Vorgehens an der Küste beleuchten folgende Äußerungen: „Wenn ich schon immer eine durchaus versöhnliche Politik vorher betrieben habe und gerade mit versöhnender Milde aufgetreten bin, wofür mein Verhältnis zu den hiesigen Arabern der beste Beweis ist, so hatte ich mir nun gerade vorgenommen, den Leuten erst recht freundlich und mit Geduld entgegenzutreten.“[146] „Wir müssen es dermalen als unsere einzige Aufgabe betrachten, den status quo aufrecht zu erhalten, und überall, wo nicht offener Ungehorsam oder directer Widerstand strengere Maßregeln unbedingt erfordert, … unsere weiteren Ziele nur nach und nach via Wege der friedlichen Vermittlung und eines mit sorgfältigster Schonung aller Eigenthümlichkeiten der uns unterstellten Bevölkerung, vor allem aber ihrer nationalen und religiösen Gefühle verbundenen Auftretens zu erreichen trachten.“[147] Damit wiederholte Vohsen die schon am 5.8.1888 den Bezirkschefs vorgetragenen Anweisungen.[148]
Unmittelbare Auslöser der offenen Rebellion in Pangani waren dann am 1.9.1888 einmal die Landung der vom Sultan gesandten Irregulären,[149] welche – anstatt wie ursprünglich zugesagt im Verein mit den DOAG-Beamten für Ruhe und Ordnung zu sorgen – sofort nach Ankunft mit den Aufständischen fraternisierten[150] und – vermutlich am 4.9.1888 – eine zusätzliche Bootslieferung Munition, welche von Zelewski vergeblich versuchte, nicht in die Rebellenhände gelangen zu lassen.[151]
Die vagen, da nicht durch überprüfbare genauere Angaben konkretisierten, pauschalisierenden und larmoyant gehaltenen Telegrammbeschwerden des Sultans[152] lassen – wie schon von Bismarck vermutete – den Schluß zu, daß es darin überhaupt nicht darum geht, stattfindendes Unrecht abzustellen oder wiedergutzumachen bzw. ähnliches künftig zu verhindern. Dies konstatierte der Rk n a c h Eingang aller eingeforderten Berichte zu den Vorgängen, während er d a v o r, am 18.9.1888, noch erklärt hatte, er stehe zutreffenden Falls zusammen mit dem Kaiser fest auf der Seite des Sultans.[153] Da die Beschwerden zudem in fließendem Englisch abgefaßt waren, der Sayyid aber nur des Arabischen und Kiswahili mächtig war, wollte der Rk offenbar zumindest sicher gehen, daß trotz der inzwischen guten Beziehungen zu Großbritannien in Person des gegenwärtigen Premierministers Lord Salisbury nicht etwa immer noch Beschäftigte der britischen Auslandsvertretung auf Sansibar gegen die deutsche Präsenz in Ostafrika Stimmung machten, und ordnete dort sowie in London diskrete Untersuchungen darüber an; schließlich seien die Sultansbeschwerden „durch die hier vorliegenden Berichte nicht bestätigt worden“.[154]
Michahelles vermutete wie schon bzgl. Bagamoyos hinter dem Sultansbeschwerdetelegramm erneut eine Intrige Bakaschmars[155] und äußerte den Verdacht, daß der Sultan „direct oder indirect der Fortsetzung feindlicher Angriffe gegen die Beamten der DOAG auf dem Festlande Vorschub leiste und die Gegner mit Waffen und Munition versorgt“.[156] Es wäre durchaus denkbar, daß mit dem Sultan die einflußreichen Kreise auf Sansibar in der praktischen Ausführung der sogenannten „Küstenverträge“ die Vorboten einer drohenden Kolonialisierung sahen und in der Verbreitung von „Nachrichten“, welche sogar den europäischen Kolonialvölkern Entsetzen und Abscheu über die Behandlung der dortigen Bevölkerung durch Vertreter aus ihren Reihen flößen sollten, unterstützt durch einen Küstenaufstand eine letzte Möglichkeit, diese abzuwehren.[157] Diesbezüglich ist von Interesse, daß die Pangani-Delegation in der Audienz vom 14.9.1888 die Entfernung a l l e r Europäer von der Küste verlangte wie auch später Buschiri und ebenso Dr. Michahelles zusammen mit Admiral Deinhard im Telegramm vom 24.9.1888 an das AA meldeten, daß sich der Aufstand gegen a l l e Europäer richte.[158] Während die ausländische, darunter auch die britische Presse die Anschuldigungen gegen die DOAG thematisierte,[159] erklärte am 6.11.1888 Lord Salisbury im Oberhaus offiziell, „es sei wahr, daß Deutschland durch keinen speziellen Akt die Feindseligkeiten … herausgefordert habe.“[160] Aus Bagamoyo ist sogar eine Zuschrift des Bezirkschefs erhalten, aus welcher hervorgeht, daß “Wohlmeinende Leute, vornehme Araber und Inder“ zu ihm gekommen seien mit der verwunderten Anfrage, ob „denn in Pangani gar nichts geschehe, die Uebelthäter (d.i.: die Aufständischen, d. Verf.) müßten doch bestraft werden“, eine Ansicht, welche auch der Generalvertreter teilte.[161]
Vohsen resümierte „nach sorgfältigster Untersuchung der Vorkommnisse“ schließlich: „Unsere Beamten haben sich überall musterhaft betragen … und es sind keine Vorwürfe von irgend welchem Belang gegen dieselben zu erheben.“, dabei schloß er den Fall Pangani ausdrücklich mit ein![162] Auch Amtsrichter Dilthey, welcher auf seiner Küstenreise mit von Zelewski näher bekannt geworden war, stellte demselben gerade im Hinblick auf Achtung muslimischer Traditionen und einer auf Vertrauensgewinn und Herstellung freundschaftlicher Beziehungen zu den Einwohnern ausgerichteten Konzeption und Praxis seiner Verwaltung ein hervorragendes Zeugnis aus.[163]
Müller gibt nun großenteils einfach die Version der Denkschrift wieder, allerdings nicht ohne sie noch zusätzlich auszuschmücken,[164] aber o h n e die Beschuldigungen irgendeiner kritischen Beleuchtung zu unterziehen und unter Außerachtlassung der reichlich vorhandenen Gegendarstellungen und -beweise. Auffallend ist, daß für diesen Autor allein die Existenz einer Anschuldigung Beweis genug für ihre Berechtigung ist. Folgte man vor Gericht dieser Vorgehensweise, wäre mit Eingang der Klageschrift bereits auf Strafbarkeit erkannt und jegliches weitere Verfahren überflüssig, ein Umstand, der unangenehme Erinnerungen an die Hexenprozesse früherer Jahrhunderte zu wecken geeignet ist. Der Grundsatz audiatur et altera pars wurde von Müller dabei gänzlich beiseite geschoben: Tausende Seiten von Akten und anderen Primärquellen zur Thematik, welche das ernsthafte Bemühen um die Ergründung der wahren Sachverhalte auf deutscher Seite übereinstimmend dokumentieren, sind in „Deutschland – Zanzibar – Ostafrika“ nicht einmal erwähnt oder z.B. pauschal als imperialistische Berichterstattung von „notorischer Verlogenheit“[165] von vorneherein von der Untersuchung ausgenommen! Zudem scheint dieser Autor historiographische Veröffentlichungen mit wissenschaftlichem Anspruch und Aufzeichnungen von Zeitzeugen nicht auseinanderzuhalten zu können.[166] Letztere erheben nicht den Anspruch, ein wissenschaftliches Werk zu sein, sondern stellen ihrerseits wichtige Primärquellen für kritische Untersuchungen dieser Art dar. Folgte man Müller, könnten demnach niemals etwa die Tagebücher einer Anne Frank oder eines Victor Klemperer als Grundlage wissenschaftlicher Aufarbeitung des darin Geschilderten dienen.
Müllers Veröffentlichung von 1959 erweist sich folglich schon wegen ihrer Einseitigkeit, dem skrupellosen, manipulativen Umgang mit Quellen und der völlig unkritischen ideologischen Voreingenommenheit als Prototyp eines marxistischen Propagandawerks, dessen hämisch-agitatorische, stark subjektiv gefärbte Sprachwahl schon zur Genüge zeigt, daß es darin nicht um objektive Erforschung geschichtlicher Wahrheit geht.
Den jeglichem Dogmatismus fernstehenden Forderungen eines Gunnar Myrdal[167] oder Max Weber ist dagegen Tatsachenfeststellung und „intellektuelle Rechtschaffenheit“ im wissenschaftlichen Forschen von fundamentaler Bedeutung. So schreibt Weber: „Ich erbiete mich, an den Werken unserer Historiker den Nachweis zu führen, daß, wo immer der Mann der Wissenschaft mit seinem eigenen Werturteil kommt, das volle Verstehen der Tatsachen aufhört.“; trotz der eingestandenen Möglichkeit, „daß es dem Einzelnen nur ungenügend gelingt, seine subjektive Sympathie auszuschalten“ bleiben diese Forderungen dennoch das anzustrebende Ideal.[168]
Diesem Verständis von Wissenschaft und ihren Zielen steht das der ehemaligen sozialistischen Blockstaaten, fast diametral, gegenüber. In einem Methodik-Lehrbuch z.B. heißt es über die „Herausbildung des sozialistischen Geschichtsbewußtseins“: „‘Die sozialistischen Grundüberzeugungen bilden die Grundlagen für das Handeln und Verhalten der sozialistischen Persönlichkeiten und dienen gleichzeitig dazu, Situationen und Verhaltensweisen zu beurteilen. … . Diese Grundüberzeugungen sind im Erziehungsprozeß zu verinnerlichen. Sie wirken dann als Normen für das Handeln und Verhalten der Persönlichkeit.‘ Bei dieser Verinnerlichung spielen soziale Emotionen eine große Rolle; denn als Ergebnis der Wiederspiegelung objektiver gesellschaftlicher Prozesse erweisen sich Überzeugungen als Einheit rationaler, emotionaler und volitionaler Prozesse. … . Inhaltlich beziehen sich die Grundüberzeugungen vor allem auf weltanschaulich-moralische, aber auch auf wissenschaftliche oder ästhetische Sachverhalte, … . Die im Unterricht zu erwerbenden Grundüberzeugungen reichen … von philosophisch-weltanschaulichen bis zu solchen des persönlichen Handelns und Verhaltens. … . Ihre Kernstücke sind ein fester Klassenstandpunkt … und aktive Mitarbeit am Aufbau des Sozialismus, … ein hohes Pflichtbewußtsein gegenüber der sozialistischen Gesellschaft, Unduldsamkeit und kämpferische Haltung gegenüber Erscheinungen bürgerlicher Ideologie, Freundschaft zur Sowietunion und Solidarität mit dem internationalen Proletariat.“[169]
Wie bei aufmerksamem Studium der Arbeiten von Müller, Stoecker etc. sofort klar wird, steht hier der Dienst am sozialistischen Staat in der oben erwähnten Form an oberster Stelle. Die sozialistische Ideologie in Gestalt der marxistisch-leninistischen Geschichtstheorie gibt Ziel und Gestalt der „wissenschaftlichen“ Arbeit im Sinne einer „sozialistischen Bewußtseinsbildung“ der Leserschaft vor. [170] Grundüberzeugungen bezüglich Ereignissen oder Personen werden nicht erst im Verlauf von vorbehaltslosen Untersuchungen Schritt für Schritt auf Grund des Erforschten gewonnen, sondern stehen von vornherein fest. Ihnen wird alles untergeordnet, auf sie hin Gefundenes zugeschnitten. Die genannten Autoren zeigen sich damit als treue Diener ihres Staates, vor einer ungeprüften und unkritischen Übernahme von Standpunkten und Ergebnissen ihrer o.e. Arbeiten, wie etwa bei Bennett, Sippel, Deutsch u.a.[171] muß aber im Interesse eines wirklichen Wissenszuwachses über Vergangenes eindringlich gewarnt werden.[172] Dies gilt es zu beachten, obwohl und gerade weil sich z.B. Müller nach dem zweiten Weltkrieg wohl am ausführlichsten mit diesem Thema beschäftigt hat und somit dem heutigen Forscher vermeintlich als guten Grund dafür anbietet, nicht nochmals die originalen Aktenberge durchzuarbeiten, die dies dem Bearbeiter nicht nur durch ihre oft mühsame Entzifferung sondern auch ihrer – bezüglich thematischen Zusammenhängen eher zerstreuten als gebündelten und durch meist fehlende Querverweise schlecht als zusammengehörig erkennbaren – ursprünglichen Anordnung wegen schon schwer genug machen .
Als Fazit ergibt sich demnach: Beim Versuch, die wahren damaligen Ereignisse aus der Ummantelung späterer Ausschmückungen, Übertreibungen und Entstellungen herauszuschälen, bleiben als verifizierbare, der Logik der inneren Wahrscheinlichkeit entsprechende Fakten Vorfälle übrig, die ihrerseits nicht mehr geeignet erscheinen, den Küstenaufstand von 1888/89 verursacht zu haben. Daher müssen andere Ursachen dafür verantwortlich gewesen sein. Diese zu ermitteln, widmet sich derzeit eine neue, umfangreiche Studie.
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Update:
Die o.e. Studie ist 2012 erschienen, s.:
[1] Helmuth Stoecker: Drang nach Afrika, Berlin 1991/2, S.87.
[2] Fritz Ferdinand Müller: Deutschland – Zanzibar – Ostafrika, Berlin 1959, S.382.
[3] Helmut Bley, 1983, zitiert nach: Jürgen Petschull: Der Wahn vom Weltreich, STERN-Buch, Hamburg 1984, Vorworte.
[4] Es versteht sich von selbst, daß im Rahmen eines Artikels wie diesem nicht alle Werke zum Thema einer Besprechung unterzogen werden können. Vielmehr soll an einem Querschnitt ausgewählter Veröffentlichungen, welche daher auch populärwissenschaftliche Werke bis hin zur Sonderveröffentlichung des „Stern“ umfaßt, die Fragestellung e x e m p l a r i s c h untersucht werden. An Hand der gegebenen Informationen sollte es dann dem Leser möglich sein, weitere Werke, wie z.B. von Juhani Koponen (Helsinki 1994), dahingehend zu überprüfen.
[5] D.i.: Die Landesgesetzgebung von Deutsch-Ostafrika (abgek.: LG), Tanga/Daressalam 1911, S.3ff; s.a. Akten des Reichskolonialamts im Bundesarchiv Berlin (= Bestand R-1001): R-1001, 770, S.35ff (abgek.: R-770, S.35ff); nach Vorgabe des Archivs werden nur die Vorderseiten durchgezählt, deren Rückseiten dafür mit „RS.“ und entsprechender Nummer angegeben.
[6] Vgl. die auf amtlichem Aktenmaterial gründende Studie von Bruno Kurtze : Die Deutsch-Ostafrikanische Gesellschaft, Jena 1913, S.67 und 68f; Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes (abgek.: AA), Nachlaß Dr. Gustav Michahelles, Bd.1, Manuskript, S.25; Carl Peters: Die Gründung von Deutsch-Ostafrika, Berlin 1906, S.162. Dr. Peters fungierte damals als Generalvertreter der von ihm gegründeten DOAG in Sansibar.
Sayyid, fem.: sayyida war Titel und Anredeform für Angehörige des omanischen bzw. sansibarischen Herrscherhauses in der Grundbedeutung: „Gebieter(in)“, „Herrscher(in)“; vgl. a. Hamoud Al-Maamiry Ahmed: Oman and East Africa, New Delhi 1979, S.26 und Emily Rue te: Leben im Sultanspalast, Frankfurt a. M. 1989 (= bearbeitete Neuauflage von: Memoiren einer arabischen Prinzessin, Berlin 1886), S.13. Heutzutage ist der Ausdruck in Kombination mit dem Nachnamen gebräuchliche Anrede für jedermann.
[7] Dr. Michahelles bemerkt im Schreiben an Reichskanzler (abgek.: Rk) von Bismarck am 26.8.1888, daß zum musl. Neujahrsfest vom 18.-21.8.1888 viel Volk aus dem Umland nach Bagamoyo geströmt sei (R-770, S.56); s.a. Dr. Michahelles in: R-418, S.79; Oscar Baumann: In Deutsch-Ostafrika während des Aufstandes, Wien/Olmütz 1890, S.34 u. vgl.: Kurtze, S.69.
[8] Laut Küstenvertrag, Art.XIV, sollte dieser an einem von der DOAG zu bestimmenden Tag nach dem 15.8.1888 in Kraft treten; zudem drängte der deutsche Gk auf einen baldigen Termin, vgl. R-406, S.9.
[9] Kurtze, 1913, S.23f (u.a. Jeeram Sajwe als Zollpächter zwischen 1879-1885); vgl.a.: Eugen Krenzler: Ein Jahr in Ostafrika, Ulm 1888, S.44, S.55; Ruete, 1886, S.87; Kurt Weiß: Meine Reise zum Kilima-Njarogebiet im Auftrage der Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft, Berlin 1886, S.9; J. Sturtz /J. Wangemann: Land und Leute in Deutsch-Ost-Afrika, Berlin 1890, S.67; s.a. Andreas Birken: Das Sultanat Zanzibar im 19. Jahrhundert, Stuttgart 1971, S.57f.
[10] Vgl. die ebenfalls an der ostafrik. Küste errichteten Kolonien: Britisch-Ostafrika (später Kenia), Portugiesisch-Ostafrika (Moçambique), Italienisch-Somaliland sowie die Einschätzung des Gks in: Nachlaß Dr. Michahelles, S.25. Zur allg. Information s. Paul Darmstädter: Geschichte der Aufteilung und Kolonisation Afrikas …, Berlin/Leipzig 1913.
[11] R-4744, S.15. In LG: S.4, Art.I, Satz 2 heißt es dazu: „Die Verwaltung soll von der Gesellschaft im Namen Seiner Hoheit und unter Seiner Flagge sowie unter Wahrung Seiner Souveränitätsrechte geführt werden“; s.a. Art.1, Satz 7 bzw. Art.IV, Satz 3.
[12] R-418, S.78; R-406, RS.3f, RS.6f, bestätigt für Kilwa/Lindi auch in Askaribriefen: R-406, RS.128ff, sowie durch Feststellung des AA: R-770, RS.13; vgl.a.: R-418, S.66ff.
[13] R-406, RS.3ff, RS.6f, RS.47f. Zur Intention der Vorlage beim Sultan s. R-406, RS.8f. Die arabischen Texte liegen der Akte nicht bei. Auch der Rk hatte diese Verfahrensweise eigens gebilligt, vgl.: R-418, RS.78.
[14] LG: S.4, Art.I, Satz 6; s.a. R-406, S.49f.
Genaueres zum Begriff: Sg. indeterminiert: wâlin, Sg. det.: wâlî, Pl.: wulât, kisw.: liwali s. Claudia Lederer: Die rechtliche Stellung der Muslime innerhalb des Kolonialrechtssystems im ehemaligen Schutzgebiet Deutsch-Ostafrika, Würzburg 1994, S.145f. Hier soll nur kurz erwähnt sein, daß dem wâlî auch eine mit der Amtsgewalt des qâdî konkurrierende Richter- sowie die Befehlsgewalt über die Truppen, die Askari, zustand.
Mit 2./3.8.1888 war den wulât durch Vohsen der genaue Feierablauf mitgeteilt worden (vgl.: R-406, S.47). Zur Haltung der DOAG vgl.a.: R-406, RS.8f und Anweisung durch das AA: R-770, S.22; s.a.: Peters: S.174f und S.185: „Insbesondere konnten wir es uns nicht leisten, eine luxuriöse Schutztruppe … einzurichten. Das würde die zu erzielenden Gewinne von vornherein problematisch gemacht haben. Aus diesem Grunde war engste Fühlung mit dem Sultanat Zanzibar anzustreben, … .“; Rochus Schmidt, Deutschlands Kolonien, Berlin 1894, S.42. Zur Nachfolge Sayyid Khalifas vgl.: Nachlaß Dr. Michahelles, S.29f und Kurtze, S.26.
[15] R-418, S.79 (Dr. Michahelles an Rk); Kurtze, S.69; vgl.a.: Peters, 1906, S.216, S.225.
Diese Festsetzung war also Ergebnis gezielter Vorüberlegung seitens der DOAG und nicht bloß glücklicher Zufall, wie Calvert glauben machen will: Albert F. Calvert: German East Africa, New York 1970 (= unveränderte Neuauflage von: London 1917), S.5 .
[16] R-418, S.21ff, S.26ff; übersetzte Sultansproklamation vom 19.6.1888 in: R-418, S.28f. Auch Dr. Peters hatte, noch während der Küstenvertrag zur Ratifizierung vorlag, zusammen mit Leutnant von St. Paul-Illaire, dem späteren Vorsteher der Zollverwaltung, beide Küstenabschnitte besucht und mit der Bevölkerung Fühlung aufgenommen; die erste Reise erfolgte sogar ebenfalls auf der ihm vom Sultan überlassenen Barawa unter Begleitung des besonderen Vertrauten und Ministers von Sayyid Bargasch, Mohamed bin Salim; vgl.: Kurtze, S.72; Peters, S. 174f, S.191f. Bzgl. des Berichtes von Amtsrichter Dilthey s. R-418, S.83ff; R-406, RS.46f; R-695, S.13f.
Fremdsprachliche Eigennamen – auch ein und derselben Person – tauchen in den deutschen, englischen, französischen (und italienischen) Texten der Akten in unterschiedlichster Umschrift auf, welche offenbar nach Gehör vom jeweiligen Schreiber gewählt worden ist und somit nicht den heutigen arabistischen oder afrikanistischen Standards entspricht. Zudem hatten zahlreiche arabische Begriffe und auch Eigennamen in entsprechend angeglichener Form längst in das Kiswahili, die Verkehrssprache der ostafrikanischen Küste, Eingang gefunden und waren auch in dieser Form gebräuchlich. Daß das besonders vokalreiche Kiswahili damals noch unzureichend in arabischer Schrift festgehalten worden ist, kompliziert die Sache zusätzlich. Die adäquate Umschrift der vorkommenden Eigennamen festzustellen, würde daher den Rahmen dieser Studie sprengen. Außerdem darf bezweifelt werden, daß durch eine solche Nachforschung für die hier diskutierte Fragestellung unverzichtbare Informationen gewonnen würden. Auch im Sinne der Authentizität ist es daher angebracht erschienen, die in den Akten – am häufigsten – gewählte Umschrift beizubehalten, sofern nicht eine andere Schreibweise bereits in der Literatur geläufig ist, wie z.B. Khalifa für halîfa oder Sultan für sultân.
[17] R-418, RS.27, S.35; s.a.: Kurtze, S.108ff und Brix Förster: Deutsch-Ostafrika, Leipzig 1890, S.37.
[18] R-418, S.27 aus Dr. Michahelles‘ Bericht an das AA vom 3.6.1888 ab S.21; s.a. R-406, S.6, RS.181.
[19] R-418, RS.27; bestätigend: Henry Powell Porter Jr.: Strategy, Speculation and Capitulation: the Background to British East Africa, Ann Arbor 1965, S.256.
[20] R-418, S.21ff, bes. S.23 und S.28; s.a.: R-406, S.17, S.212f.
[21] Vgl. z.B. Sultansbeschwerde an den ksl. Gk bzw. Rk bzgl. des wâlî-Hauses in Daressalam, welches auf besagter Liste nicht aufgeführt war, und Bagamoyo, wo das Haus durch den wâlî vom Inder Sewa Hadji nur angemietet war: R-418, S.161, S.162ff; s.a. R-406, S.44ff, S.107; Konsul Vohsen drängte noch am 23.9.1888 auf Erledigung durch den Sultan: R-406, S.125, vgl.a.: ebda. S.148, S.212f.
[22]Aus den zahlreichen Beispielen seien hier nur herausgegriffen: R-406, RS.21, S.49f, S.58ff, RS.157, RS.158, S.182, RS.192, RS.233; R-389, S.91f; R-770, S.47ff, S.57, S.67; R-418, S.76; s.a. Beispiele/Statements in: Kurtze, S.69f, S.72 zu S.66, S.73, S.111, S.113, S.115 u.v.a.; die aufschlußreiche Charakteristik Sayyid Bargaschs in: Weiß, S.9 und die Liste der Beispiele in: R-697, RS.73ff.
[23] Bericht an die Direktion der DOAG/Berlin vom 25.8.1888 mit Anlagen: R-406, S.46, s.a. S.47f und S.23. Mit derartigen, sehr ausführlichen regelmäßigen Tätigkeitsberichten wurde stets Fühlung mit Berlin gehalten.
[24] R-418, S.44f.; s.a.: R-418, S.75, S.76ff, S.89. Diese, Sippels These abträglichen Stellen desselben von ihm zitierten Dokuments sind nicht in seine Betrachtung eingeflossen (vgl. Harald Sippel: Recht und Herrschaft in kolonialer Frühzeit, in: Studien zur Geschichte des deutschen Kolonialismus, Pfaffenweiler 1995, S.476f, S.479, Fazit S.486), vgl. dazu Anm.128. Die qudât – im Dokument als „kathis“ angesprochen – zu ernennen, war als Ergebnis der Konferenz vom 31.5.1888 auch weiterhin alleinige Sache des Sultans, vgl.: R-418, RS.22.
Unter Sg. indet.: qâdin, Sg. det.: qâdî, Pl.: qudât ist das Richteramt gemeint, welches nicht mit dem europäischen Richterverständnis deckungsgleich ist. So gibt es neben dieser Instanz in islamischen Staaten noch andere mit Richterbefugnis, z.B. innerhalb der Verwaltung. Auch war die Unabhängigkeit vom Herrscher und dessen Verwaltungsapparat nicht garantiert, vielmehr herrschte Weisungsgebundenheit vor. Sogar die Zuständigkeit konnte entsprechend beschnitten sein. Genaueres zum Begriff bei: Lederer, S.141f ( s.a. unter: nazar fî_l-mazâlim). Bzgl. der Darstellung der Jurisdiktion in der Vorkolonialperiode sei hier auf eine derzeit in Arbeit befindliche größere wissenschaftliche Untersuchung verwiesen. Herrn von Zelewski betreffend, den ersten Bezirkschef von Pangani, sei noch erwähnt, daß gerade e r es war, der umgehend und wiederholt die Ernennung eines qâdî durch den Sultan für die Stadt erst angemahnt hat; zuletzt sogar noch am 2.9.1888: s. R-406, RS.199.
[25] R-418, RS.46f. §7 der Instruktionen für Vohsen selbst besagte bzgl. der Verwaltung im Küstenstrich, daß dessen Einwohner, deren Leben und Eigentum besonders zu achten seien, ohne dabei europäische Begriffe zum Maßstab zu nehmen; s.a. R-360, S.107.
[26] Vgl.: R-406, S.6ff. Bzgl. der – nur durch die Aufständischen Panganis verhinderten – Kontrollbesuche Vohsens s. z.B.: R-406, S.84ff, RS.87ff, bestätigt durch Dr. Michahelles in: Deutsche Kolonialzeitung (abgek.: DKZ), Berlin 1888, S.417.
[27] Vgl. z.B.: R-4745, S.13ff (Anweisung des Rk an Dr. Michahelles) und R-418, S.77, Marginalie des Rk. Beispiele in: R-406, S.80, S.81, S.88, RS.92, u.a.; vom ksl. Gk bzw. seinem Vertreter wurden zu diesem Zweck auch Bereisungen der Küstenstädte vorgenommen, vgl.: z.B. R-406, S.94, S.124, RS.225. Letztere erhielten auch Berichte der ksl. Marine über die Vorgänge an der Küste, vgl. z.B.: R-770, RS.42f. Die dem Rk eingereichten Instruktionen an Konsul Vohsen finden sich in: R-360, S.101ff. Bestätigend auch Dilthey: „die Persönlichkeit des Generalvertreters der Gesellschaft, des Herrn Vohsen, war bald genug in Zanzibar und an der gegenüberliegenden Küste nach der Seite hin bekannt geworden, daß er Ungehörigkeiten innerhalb seines Verwaltungskreises nicht duldete.“(R-695, RS.13).
[28] R-406, S.186, Bericht des Bezirkschefs an die Generalvertretung in Sansibar vom 11. August 1888. Laut DKZ, 1888, S.247 war Burchard schon seit März auf der Station.
[29] Vgl.: „Eines Tages Anfang 1888 segelte Zalewski (sic!) in den Hafen ein. Mit Höflichkeiten verschwendete er keine Zeit. Er erklärte dem Wali, … daß er hiermit die Verwaltung übernehme. Der Wali sollte sich viermal am Tag bei ihm melden, um seine Anweisungen zu erhalten“ in: Thomas Pakenham: Der kauernde Löwe: Die Kolonialisierung Afrikas, 1867-1912, Düsseldorf/Wien/New York/Moskau 1993 (= deutsche Ausgabe von: Scramble for Africa, 1876-1912, London 1991; zuletzt neu aufgelegt 2001), S.399.
[30] Vgl.: R-406, RS.110; Müller, S.544ff; s. dazu a.: R-406, S.203, RS.100. Die Vier-Mann-Deputation bestand nach Vohsens Bericht aus den „zwei Abgeordneten der Küstenbevölkerung, dem Sinan Sober und dem Sinan Manga, dann dem Araber-Chef Salim bin Hamed, dem Suahili-Chef Bilah bin Wasiri oder Sayid bin Betcha“(R-406, S.99) und war mit General Matthews zusammen am 11.9.1888 in Sansibar angekommen (vgl. R-406, RS.98), um am 18.9.1888 wieder nach Pangani abzureisen (s. ebda., RS.100).
[31] R-406, S.196ff, S.199, S.201f; bestätigend: Beurteilung des AA: R-770, S.22 u. Admiral Deinhards: R-692, S.69f. Nicht verschwiegen werden soll jedoch, daß schon in Sansibar acht bzw. neun Askari angeworben worden waren, bzgl. derer von Zelewski äußert: „daß ich nicht im Stande bin irgend welche Verwaltungsmaßregeln vorzunehmen, da es mir an allen Organen fehlt meinen Befehlen Nachdruck zu verschaffen, denn die 8 Negersoldaten genügen gerade zur Bewachung des Zollgebäudes und des Gesellschaftseigenthums. Außerdem sind die in Zanzibar aufgelesenen Bummler auch wohl nicht als Soldaten namhaft zu machen und ernsthaft zu nehmen.“(R-418, RS.79f). Dennoch waren diese wenigen aus dem Inland stammenden Schwarzafrikaner die einzigen gewesen, die in Sansibar anzuwerben gewesen waren, vgl.: R-406, RS.181.
[32] R-406, S.196ff.
[33] Baumann, S.139. Bestätigend: Dr. Meyer in: R-698, S.15; Sturtz/Wangemann, S.67; Deinhard: R-692, S.70, S.71; R-406, RS.180f. Vgl.a. Anm.94.
[34] R-406, S.186. Instruktionen zum Vorgehen auch in: R-418, S.66ff. Die Inder wurden eigens vom brit. Gk informiert, s. R-418, RS.37.
[35] R-406, RS.53 mit Anlagen: RS.16 enthält die von Dr. Michahelles und Vohsen gemeinsam entworfene, präzise und unzweideutig formulierte, aufklärende Sultansorder an die wulât, S.18ff die Proklamationen der DOAG bzw. Vohsens; zur Sprachwahl s.a.: S.50. In Bagamoyo, dem Hauptort des Küstenstriches, an welchem auch das prächtigste Fest stattfand, wurden zusätzlich noch eine Ansprache von St. Paul-Illaire in Kiswahili und eine Rede Vohsens in Deutsch zu Gehör gebracht, auch ein Dolmetscher für Gujerati stand zur Verfügung; vgl.: R-406, RS.53 und RS.50. Die arabischen Originale fehlen in der Akte.
[36] Vgl.: R-406, S.49ff; Audienz vermutlich am 13.8.1888. Die arabischen Texte sind in der Akte nicht enthalten. Noch am 24.8.1888 monierte es der dt. Gk in einem Bericht an das AA, daß es Meldungen von den Küstenstationen zufolge der Sultan offenbar vertragswidrig verabsäumt habe, die wulât korrekt über die bevorstehenden Änderungen zu unterrichten. „Daher habe ich Sayyid Khalifa von Neuem gebeten, seine Beamten durch präzise Instruktionen rechtzeitig aufzuklären, damit dieselben nicht später aus Unkenntnis ungehorsam wären und mich dadurch nöthigten, Kriegsschiffe an die Küste zu senden.“(R-418, S.76). Zum Verhalten des Sultans s.a. Anm.41.
[37] Vgl.: R-406, RS.4, RS.5f. Die in R-406, RS.24 angesprochene Order vom 2.8.1888 an die Stationschefs fehlt in der Akte; vgl. aber Konzept vom 19.7.1888 in: R-418, S66ff. Der Text der Sultansorder in: R-406, S.6 von Ende Juli fällt dadurch auf, daß er verschiedene Interpretationen zuläßt und mit einer Art Stoßgebet endet (Der Anfang erklärt sich daraus, daß der Brief an Dr. Michahelles zur Weiterleitung gerichtet war): „Schreiben Sr. Hoheit des Sultans an den Kaiserlichen General-Konsul an die Walis.“ Absatz. „Wir sind im Besitz Ihres Briefes vom 24. Juli, dessen Inhalt wir verstanden haben.“ (Aber auch gebilligt?, d. Verf.) „Wir haben unseren sämtlichen Beamten schon früher mitgetheilt, daß wir die Plätze der Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft miethweise überlassen haben (mit dem Befehl). Bleibet Alle auf euren Posten und machet Euch keines Ungehorsams schuldig.“ (Gegen wen?, d. Verf.) „Von keinem derselben ist mir eine Benachrichtigung zugegangen, daß er hierauf nicht eingeht.“ Absatz. „Jeder dem es im Dienste nicht gefällt und der seinen Obliegenheiten nicht gerecht wird“ (Gegen wen?, d. Verf.) „wird entlassen und durch einen anderen ersetzt. So Gott will, wird sich aber Alles zum Besten wenden.“ Absatz, Unterschrift des Sekretärs, 17. Elkaada 1305. Gemeint ist wohl der 17. dû_l-qa‘da, also wohl der 25.7.1888.
[38] R-406, S.186ff = RS.24ff: Bericht von Zelewskis an Vohsen/Sansibar vom 12.8.1888, mit ausführlichen Gesprächsnotizen in Frage-Antwort-Gegenüberstellung. Demgegenüber behauptet Müller (ohne Belegstelle!): „Der Wali der Stadt befolgte den Befehl seines Sultans und übergab anstandslos die Verwaltung. Doch lehnte er es rundweg ab, in deutsche Dienste zu treten …“(S.380). Im Widerspruch dazu vgl.o. Anm.37: Sultansproklamation in R-406, S.6 und Anm.18. Dabei schließt Müller (unter Außerachtlassen gegenteiliger Quellenbelege) eine Urheberschaft des Sultans an der Reaktion des wâlî eindeutig aus (S.373). Eine deutscherseits geplante, von Müller einfach behauptete, grundsätzliche „Einholung“ der Sultansflagge (loc. cit.) geht n i r g e n d s aus den bezüglichen Akten hervor und w i d e r s p r i c h t den DOAG-Instruktionen (s.o. Anm.12, Anm.26); s.a.: Sturtz/Wangemann, S. 67; Instruktion vom 19.7.1888 enthalten in: R-418, S.66ff, s. bes. S.67f.
[39] Der kleine Dampfer Jühlke unter Kapitän Holtz lag vor Sansibar zur Verfügung der Generalvertretung, war aber bald nicht mehr zu gebrauchen, da Sansiber auch für einfachere Reparaturen keine Facharbeiter aufwies. Vgl.: R-406, 147, RS.158; s.a.: Weiß, S.8f.
[40] Vgl.: R-406, S.187f = S.26f, zweiter Bericht von Zelewskis vom 12.8.1888 an Vohsen auf Sansibar. Für 200 Rp. konnte schon ein kompletter Hausneubau finanziert werden, vgl.: R-406, RS.196.
[41] Krenzler, S.53. Abweichend, aber im Ergebnis gleich: Karl Jühlke: Die Erwerbung des Kilima-Njaro-Gebiets, Köln 1886, S.5; Krenzler, S.96f; bestätigend: Baumann: S.97; Kurtze, S.72f; August Leue: Dar-es-Salaam, Berlin 1903, S.6; Georg Richelmann: Meine Erlebnisse in der Wissmann-Truppe, Magdeburg 1892, S.81; Rochus Schmidt: Meine Reise in Usaramo und den Deutschen Schutzgebieten Central-Ostafrikas, Berlin 1886, S.9; ders.: Geschichte des Araberaufstandes in Ost-Afrika, Frankfurt a.O. 1892, S.24; ders.: Aus kolonialer Frühzeit, Berlin 1922, S.81f; Weiß, S.17; aus einem Privatbrief aus Bagamoyo in: DKZ 1888, S.336; vgl.a.: Gutachten Dr. Michahelles‘, daß die „Walis blindlings nicht nur Befehle, sondern auch schon Winke aus Zanzibar zu befolgen gewohnt und jeder Selbstständigkeit baar sind“(R-4744, S.12). Ebenfalls bestätigend die Sultansschwester Sulaima bint Sa‘îd in: Ruete, S.262; s.a. Dilthey: R-695, RS.13.
Zum Wechsel der Person des Sultans in den ausgewählten Beispielen ist zu bemerken, daß der Nachfolger Sayyid Khalifa Dr. Michahelles zufolge „nach orientalischer Sitte“ unter der Herrschaft seines Bruders Sayyid Bargasch von allen Regierungsgeschäften abgeschottet auf einem Landsitz festgehalten worden sei, aber dieselben Ratgeber wie zuvor auch unter ihm die Geschäfte lenkten und somit Kontinuität garantierten; s.: Nachlaß Dr. Michahelles, S.29f; R-770, RS.75f (!); R-388, RS.75, R-698, S.22, S.23f, S.28; s.a. Kurtze, S.74, S.108, S.115. Und nur, wenn man die Existenz von Geheimbefehlen bzw. gegensätzlichen Instruktionen voraussetzt, wird verständlich, warum der wâlî von Bagamoyo auf die Aushändigung des offiziellen Sultansbefehls „sichtlich erstaunt und deconcertiert“ erschienen war und unter dem Vorwand, beten gehen zu wollen, erst einmal unter vier Augen Rücksprache mit dem Sultansvertreter hatte nehmen wollen; vgl.: R-406, S.51. Bestätigend auch: Sturtz/Wangemann, S.67; bzgl. Tanga: R-406, S.102ff und S.93ff; bzgl. Bagamoyo: R-697, RS.73; s.a. Anm.36 (Michahelles‘ Tadel) und Anm.100.
[42] R-406, RS.187. Da keine Erlebnisberichte aus der Feder von Zelewskis aus jener Zeit vorliegen, vermag eine ganz ähnliche Erfahrung mit dem wâlî von Bagamoyo aus dem Jahr 1886 des Premierleutnant Krenzler eine Vorstellung davon zu schaffen. Zur Machtdemonstration war jener wâlî „mit 200 bewaffneten Arabern“ auf der soeben erbauten Station Dunda erschienen. „Da er … der Station sonst, ohne Verletzung des Handelsvertrages nichts anhaben konnte, zog er wieder ab, rächte sich aber dadurch, daß er in allen Moscheen von Bagamoyo bekannt geben ließ, es dürfe an die F r e m d e n nichts verkauft, vermietet oder verschenkt, ihnen vor allem keine Trägerdienste geleistet werden, … . Die ganze Bevölkerung in der Umgegend der Station wurde durch Boten gegen die Weißen aufgehetzt und den Wasaramo bei Leibesstrafe verboten, fernerhin bei denselben Arbeit zu nehmen. Die Folge davon war natürlich die, daß … so die Station, da von Bagamoyo resp. der Küste nichts mehr herbeigeschafft werden konnte, vielmehr durfte, nahe daran war, förmlich ausgehungert zu werden. Der Station war also die Lebensader vollständig unterbunden … .“ Die Angelegenheit wurde dann auf diplomatischem Wege zu Gunsten der deutschen Seite geregelt. Vgl.: Krenzler, S.96f.
[43] Auszug aus Privatbrief Diltheys vom 29.7.1888 in: R-418, S.84, bestätigend auch die Sultansschwester Sulaima in: Ruete, S.262.
[44] R-770, S.111 s.a. Anm.36; Pakenham nimmt den Gedanken auf, allerdings ohne Quellenbeleg (S.399). Der Vermutung Deinhards ist entgegenzuhalten, daß die Proklamationen und Sultansorders, auch die Spezialorder für Pangani bzgl. der Flaggen- und Souveränitätsfrage eindeutig gehalten waren; vgl.o. Anm.12, 16 und 35. Auch während der Bereisung der Küstenstädte im Sommer 1888 ist k e i n dahingehender Einwand seitens der Bevölkerung bekannt geworden; vgl.: Anm.16 und 17.
[45] Vgl.: R-770, S.5f, d.i. Telegramm des Sultans an Rk (bzgl. Bagamoyo); S.45ff, d.i. Bericht Michahelles‘ an den Rk vom 26.8.1888 (bzgl. Bagamoyo); R-770, S.72ff, d.i. Bericht Michahelles‘ an Rk vom 31.8.1888 (bzgl. Bagamoyo), mit dem Bemerken, der Zwischenfall sei „nur durch eine Intrigue des deutsch-feindlichen Scheiks Bakaschmar hervorgerufen“(S.76); R-770, S.39ff, d.i. Bericht Michahelles‘ an den Rk vom 28.4.1888 (bzgl. Pangani); R-406, RS.187, S.188 = RS.23f, d.i. Spezialbefehl an den wâlî von Pangani vom „6 Elhajj, 1305“, was nach Datumsabgleich mit der Angabe in: R-406, RS.16 dem 15.8.1888 entspricht.
[46] R-406, RS.23f: „Von Chalifa bin Sayid an seinen Freund den Wâlî Abdul Kaoni ben Mulallah.“ Absatz. „Wir machen Dir hiermit bekannt, daß wir mit der Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft einen Vertrag gemacht haben (des Inhalts), daß die Verwaltung auf den Küstenplätzen vom Umba- bis zum Rovumaflusse an die erwähnte Gesellschaft übergeht vom 16.ten ds. Mts. ab.“ Absatz. „Du wirst im Dienste der Gesellschaft sein, welche Dir Dein Monatsgehalt zahlt.“ Absatz. „Wir befehlen Dir, dem Befehle der Gesellschaft Folge zu leisten und Dich jeder Widersetzlichkeit zu enthalten, wenn die Gesellschaft ihre Flagge am 6.# (arabisch) hißt. Unsere Flagge wird über ihrer wehen.“ … „6 Elhajj, 1305“. Laut Abgleich mit: R-406, RS.16 war das der 15.8.1888. Warum der Sultan den Tag der Flaggenhissung mit „am 6.#“(also wohl dem 15.8.1888) angibt, ist nicht klar, oder sollte in dieser Diskrepanz zum tatsächlichen Datum (=17.8.) schon ein versteckter Hinweis des Sultans gesehen werden?
[47] Vgl.: R-406, RS.187 = S.23f (Michahelles, 15.8.1888); S.188f = S.27ff (St. Paul-Illaire, 15.8.1888); ordergemäße Vollzugsmeldung von St. Paul-Illaires an ksl.Gks vom 16.8.1888 in: R-406, RS.188 = S.24f. Daß mit einer Verurteilung des wâlî durch den Sultan gerechnet wurde, geht aus dem Bericht: R-418, S.43 hervor. Hinweis auf Vorgehen zusammen m i t dem Sultan in: R-418, S.67f.
[48] R-406, S.189. Ausführliche Schilderung in: R-406, RS.189ff = S.78ff; bestätigend auch Dr. Michahelles‘ Bericht dazu in: R-770, RS.72 sowie der von Amtsrichter Dilthey als Augenzeuge: R-695, S.13. Wieder ergibt sich derselbe Widerspruch zwischen der Aktenlage und Müllers Schilderung (vgl.o. Anm.38) bzw. der Sippels (S.483) oder Packenhams (S.399).
[49] R-406, S.189f; s.a.: R-406, RS.187; S.188f. Erneuter Widerspruch zu Müllers Version, vgl.o. Anm.48.
Der Einsatz der Marine war auf Anordnung des ksl. Gks erfolgt; vgl.: R-406, RS.77.
[50] Calvert, S.5; Stelle zitiert bei Norman Robert Bennett: Arab versus European, S.292, Fn.9. Zu Veröffentlichungen der Kriegspropaganda vgl.: Heinrich Schnee: Die deutschen Kolonien vor, in und nach dem Weltkrieg, Leipzig 1935, S.52f; Hans G. Steltzer: Die Deutschen und ihr Kolonialreich, Frankfurt 1984, S.139.
[51] Denkschrift: R-406, RS.110ff; Bennett, 1986, S.147; Clarke, Times vom 25.10.1888, S.13; s.a. Petschull, S.176 (generelle Schilderung des Flaggenherunterreißens und -Mit-Füßen-Tretens ohne Ortsangabe); Stoecker, S.87. Demgegenüber vgl.a. die in Berlin aus Ostafrika eingeforderten Berichte, z.B.: R-770, S.21, S.39ff, S.72ff; das AA-Fazit z.B. in: R-770, S.62ff, bes. S.66, und die Berichte der ksl. Marine im Militärarchiv Freiburg.
Der Beschuldigung durch die Pangani-Denkschrift in: R-406, RS.111, daß „am 3.ten Tag (Montag)“, d.h. also am 20.8.1888, der Flaggenstock zerbrochen und ins Gesellschaftshaus verbracht worden sei, liegt laut Bericht von Zelewskis vom 16.9.1888 nur das verständliche Vorgehen zugrunde, daß seit der Verwaltungsübernahme durch die DOAG ja zwei Fahnenmasten, und zwar vor dem Gesellschaftshaus, gebraucht wurden und ein zweiter nach Vorgabe des ersten gefertigt werden sollte. Dazu hatte von Zelewski das Original „in der vorsichtigsten Weise herunter genommen“, n a c h d e m, wie er sich selbst durch Befragung überzeugt hatte, die Bevölkerung über die Maßnahme informiert und für die Zwischenzeit zwei provisorische angebracht worden waren „und war der Flaggenstock der Sultansflagge höher wie derjenige der Gesellschaft“(R-406, S.113). Bestätigt wird dieses Vorgehen von Zelewskis auch durch seinen Bericht vom 24.8.1888 (R-406, RS.195), also v o r Bekanntwerden der Denkschrift-Anschuldigungen. Zudem hatte Dr. Michahelles festgehalten, daß es für die Bevölkerung von großer Bedeutung sei, daß sich die Hoheitszeichen am gegenwärtigen Verwaltungsgebäude (d.i. das Gesellschaftshaus; d. Verf.) befänden; vgl.: R-770, RS.73.
[52] Calvert, S.6; s. demgegenüber: Georg Richelmann: Schaffung der Wissmanntruppe, in: Hermann von Wissmann, Berlin 1906, S.229f; bestätigend auch: C. Falkenhorst: Deutsch-Ostafrika, Stuttgart/Berlin/Leipzig 1890, S.79: „die Reede liegt anderthalb Stunden seewärts“; Oberstabsarzt A. Becker: Die Niederwerfung des Aufstandes im Süden, in: Hermann von Wissmann, Berlin 1906, S.320f; Richelmann, 1892, S.11; Sturtz/Wangemann, S.30, S.36, S.77; vgl.a.: Ruete, S.21, S.13. Vielleicht wurde auch nur von Calvert das, zudem bei der Bevölkerung bei Festen überaus beliebte, (Marine-)Salutschießen mißinterpretiert; s. DKZ, 1888, S.265, vgl.a: Ruete, S.170.
Für den Wißmann-Angriff auf Pangani vom 8.7.1889 mußte dennoch erst eine Neumond-Springflut abgewartet werden, um überhaupt nah genug an den Strand heranzukommen, vgl.: Richelmann, 1906, S.229. Auch das damals am Gefecht teilnehmende S.M.S. Schwalbe mußte 4 km vor dem Strand ankern und erreichte mit seinen Granaten nur die Flußmündung, nicht aber die weiter im Landesinnern liegende Stadt, ebda. S.232. Den Küstenbewohnern war dieser Umstand bekannt, wie auch der geringe Erfolg der gegen die Sklavenaus- und Waffeneinfuhr gerichteten internationalen Küstenblockade im Winter 1888/89 deutlich zeigte: (Sklaven-) Dhaus konnten in Strandnähe operieren, die europäischen Kriegsschiffe nicht, vgl.: Schmidt, 1892, S.36f; Sturtz/Wangemann, S.52. Landungsstege (z.B. in Tanga) wurden erst unter deutscher Ägide gebaut.
Entgegen Calverts Behauptung spielte sich dagegen die rundum friedliche (!) Flaggenhissungsfeier in Bagamoyo unter den Augen des an Stelle des erkrankten Soliman bin Nassr geschickten Sultansvertreters Scheich bin Salim mit Seeleuten S.M.S. Carola ab, allerdings derart, daß deren Offiziersdefilee und Musikcorps das Fest am bedeutendsten Küstenort glanzvoller gestalten sollte, vgl.: R-406, S.50ff. Ähnliche „Festunterstützung“ leisteten auch die Kriegsschiffe anderer Mächte z.B. im Hafen von Sansibar zu verschiedenen Anlässen; vgl.: Nachlaß Dr. Michahelles, S.26; Ruete, S.170; Weiß, S.9.
Die hier gewählte Schreibung für „Wißmann“ entspricht dessen eigener Unterschrift.
[53] R-406, S.79. Unter diesen Umständen beurteilte das AA die nachfolgende Aktion als rechtens: R-770, S.14.
Dr. Michahelles chrakterisierte den wâlî im Bericht an den Rk vom 25.8.1888 folgendermaßen: Er sei „von früher her als ein böswilliger chicanöser Charakter bekannt, gegen den schon zu Lebzeiten des Seyyid Bargasch von deutscher wie von englischer Seite wiederholt Beschwerden erhoben worden waren. Auf ein längeres Zusammenwirken mit diesem Mann war von vornherein nicht zu rechnen.“(R-770, RS.39f). Berchem/AA wertet ihn „als fremdenfeindlich bekannt“(R-770, S.63).
[54] Vgl.: R-406, RS.79 zu RS.187/RS.188, RS.25; s.a. R-406, S.191f, S.192f. Der von Konsul Vohsen am 24.8. ausgestellte Ausweisungsbefehl für Abdul Kaoni liegt der schriftlichen Bitte selben Datums an Dr. Michahelles bei, denselben durch Vermittlung des Sultans dem wâlî zukommen zu lassen; s. R-406, S.194f (= RS.37f).
[55] Vizekonsul Steifensand im nachhinein zur Auseinandersetzung mit besonderer Berücksichtigung Panganis in: R-698, RS.23; bestätigend auch Soliman bin Nassr: „Bacachmar, … qui’il préfére plutôt le voir en ruine que prospère entre les mains de ceux qu‘il considére comme les seuls ennemis du pays …“, R-698, RS.26. Aus Solimans Äußerung geht hervor, daß diese Haltung am Sultanshof für 1888 wie 1889 galt. Ebenfalls bestätigend: O’Swald (in Sansibar seit 1849 tätiges dt. Handelshaus) an Rk vom 25.9.1888 in: R-360, S.129.
[56] Dr. Michahelles auf Vohsens Anfrage (R-406, S.105ff) nach den Kompetenzen der DOAG in: R-406, RS.106. Erhellend dazu auch R-406, S.109 (= Schreiben Dr. Michahelles‘ an die DOAG-Generalvertretung vom 15.9.1888): „Der Herr Admiral bemerkt mir übrigens am Schlusse seines Schreibens, daß nach den Absichten der Kaiserlichen Admiralität S.M. Kriegsschiffe nicht für Zwecke der Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft zur Disposition stehen.“ Vgl.a. R-406, RS.65ff, RS.182, RS.208; Nachlaß Dr. Michahelles, S.33; R-770, S.18 (= Rk-Anweisung an Admiralität) u.a. Zudem bemerkt Dr. Michahelles, daß der Admiral von Anfang an gegen (!) koloniale Bestrebungen eingestellt gewesen sei (R-360, RS.188). Das Bestreben, die ksl. Marine so wenig wie möglich einzusetzen, ist auch ersichtlich aus: R-406, S.94, S.95f.
Zur rechtlichen Situation des konsularischen Reichsschutzes vgl.: Lederer, S.30. Bestätigend auch die persönliche Marginalie des Rk in: R-360, RS.148.
[57] Bericht von Zelewskis an Vohsen/Sansibar vom 20.8.1888, R-406, RS.31.
[58] Bericht von Zelewskis an Vohsen, 21.8.1888, S.193, s.a. RS.192.
[59] Aus dem Bericht Wißmanns an den Rk vom 27.12.1889 in: Gott will es! (= Katholische Zeitschrift für die Antisclaverei-Bewegung deutscher Zunge), Mönchengladbach 1890, S.107. Wißmann merkte darin sogar kritisch an, daß Buschiri dafür keinen Beleg habe geben können. Angesichts dessen, daß mit so einem Beleg der Bruch des Küstenvertrags durch den Sultan offengelegt worden wäre, ist sein Fehlen allerdings verständlich.
Unter wizâra ist allg. der Geschäftsbereich eines wazîr zu verstehen, wobei hier wohl am ehesten an die wizâra_š-šu`ûn_l-baladîya wa_l-qarawîya zu denken wäre, die Amtsgewalt über die städtischen und ländlichen Angelegenheiten, hier des Küstengebiets. Mit diesem speziell geschaffenen Amt wäre Buschiri offiziell an die Spitze der gesamten Küstenverwaltung – unklar welcher Gebietsausdehnung – noch eine Stufe oberhalb der wulât gerückt.
[60] Bericht von Zelewskis an Vohsen, 20.8. 1888, R-406, S.32. Zur Marinewache s.u. Anm.95.
[61] Bericht von Zelewskis an Vohsen, R-406, RS.199; gleiches gilt für Hamadi bin Abdallah: R-406, RS.25.
[62] Soliman bin Nassr im ksl. Konsulat am 27.6.1889, R-698, S.26f. Daß der Stationschef mit den sog. Ältesten bzw. betuchten Einwohnern anscheinend recht gut auskam, vermitteln auch die Beispiele in: R-406, S.192, RS.192, RS.201. Zur Gegnerschaft zwischen vornehmen und reichen arabischen Gutsbesitzern und den Anhängern des „arg verschuldeten“ Buschiri s.a.: Richelmann, 1892, S.84f; DKZ, 1888, S.389; auch später noch gehörten bzgl. des Aufstandes Eingeborene und Araber/Belutschen in Pangani verschiedenen (!) Fronten an: Richelmann, 1892, S.154f; Schmidt, 1892, S.73f unter Erwähnung des deutsch-freundlichen, reichen Arabers Said Hamedi. Damit läßt sich die, obwohl durch keine Angaben über Quelle oder Zeit etc. konkretisierte, aber unkritisch von Bennett (S.147) übernommene Behauptung des Missionars Farler zum Verhältnis zwischen Deutschen und diesem Araber nicht in Einklang bringen. Zudem lassen die mangelhaften Angaben bei Bennett auch keine Überprüfung seiner Quelle zu. Im übrigen vgl.a.: von Zelewskis Bericht vom 21.8.1888 über eine kurze Fahrt den Pangani aufwärts, daß die Bewohner der Dörfer friedlich seien, während sich auf Buschiris Schamba Bewaffnete sammelten: R-406, RS.192f.
[63] Müller, S.371, S.373; Stoecker, S.87. Das Unzutreffende der ideologischen Projektionen dieser beiden Autoren auf die damaligen tatsächlichen Verhältnisse wird umso deutlicher, je umfassender man sich mit dem g a n z e n Phänomen „Araberaufstand“ beschäftigt; daher sollte sich eine neue ausführliche Untersuchung diesem Thema widmen. Zudem übersieht Stoecker bei seiner Behauptung, die gesamte Küstenbevölkerung, gleich welcher Ethnie oder sozialen Schicht, habe sich vereint zur Abwehr des Versuchs kolonialer Unterjochung zusammengefunden, daß in diesem Raum bereits Ende des 17. Jh.s die portugiesische Kolonialmacht durch ihre omanischen Gegner abgelöst worden war; vgl. Al-Maamiry, S.60 und Fritz Weidner: Die Haussklaverei in Ostafrika, Jena 1915, S.XIX.
Deinhard bemerkt in seinem Bericht vom 3.10.1888 sogar: „Die Massen befinden sich in Händen einiger raubsüchtiger Araber und haben keine Ahnung davon, weshalb die Streitigkeiten existieren.“(R-692, RS.69).
[64] Müller, S.373. Bzgl. der nach Berlin eingeforderten und geprüften Berichte vgl. z.B.: R-770, RS.14, S.21, S.39ff, RS.42f, S.62ff, RS.89, S.107ff, S.109ff; R-388, S.93ff; R-692, S.69ff (Admiral Deinhard); R-360, S.158; S.140ff zu S.126ff, S.158ff; s.a. R-406, RS.62, S.72, S.75 u.v.a.; s.a. Anm.51.
[65] Jan Georg Deutsch: Inventing an East African Empire …, in: Studien zur Geschichte des deutschen Kolonialismus in Afrika, Pfaffenweiler 1995, S.216.
[66] Vgl.o. Anm.1.
[67] Bennett, S.147. Die nur auf Gerüchten beruhende Angabe in einer Inderpetition vom 10.3.1889 an Oberst Euan Smith, den brit. Gk: „Wenige Tage nach …, Nachricht von anderen Unruhen in Pangani kam hierher“ enthält ebenfalls die Behauptung des Eindringens mit Schuhen und Hunden (R-419, S.61), welche aber in der Pangani-Denkschrift selbst (s.o.), dem ursprünglichsten Dokument, n i c h t aufscheint! Auch der Verweis auf die „Gastfreundschaft“(loc.cit.), vgl.a. Denkschrift: R-406, S.112 und Müller, S.383, befremdet sehr angesichts der Tatsache, daß die DOAG-Beamten die Verwaltung im Namen des Sultans ausübten und nicht als Gäste in Pangani weilten. Diese Erwähnung ist aber geeignet, den Leser zusätzlich gegen die DOAG einzunehmen.
[68] Stoecker, S.147. Zur Bedeutung der Moschee als Mehrzweckbau, dem ursprünglich die Aura besonderer Heiligkeit wie etwa einer Kirche mit „Ewigem Licht“ als Symbol der steten Anwesenheit Gottes darin, gänzlich fehlte, s. Peter Heine: Moschee, in: Islam-Lexikon, Freiburg/Basel/Wien 1991, S.533ff. Vgl.a. Anm.76.
[69] Förster, S.1ff, insbes. S.37ff, „Ausblick auf die Ursachen und den Charakter des Aufstandes“ ab S.48. Müllers generelle Abwertung nicht sozialistischer Veröffentlichungen u.a. in: S.370. Das Gleiche wie für Förster und Falkenhorst gilt ebenso für Schmidt, 1894, S.45f und zahlreiche anderer, außer Acht gelassener Werke von Zeitzeugen. Calvert als nicht verwertbarer Gewährsmann Bennetts wurde schon erwähnt, vgl.o. Anm.50.
[70] Bennett, S.292, Fn.9; abschlägige schriftliche Antwort, Bayerische Staatsbibliothek München/Frau Dr. Edith Schipper, 13.7.1999. Die vollständige andere Angabe müßte lauten: J. Sturtz und J. Wangemann, Land und Leute in Deutsch-Ost-Afrika, Berlin 1890.
Statt einer uneingeschränkten Empfehlung dieses Autors, wie z.B. bei Deutsch, S.217, Anm.4: “For an overview … see the excellent study by N.R. Bennett, Arab versus European …“ und unbesehenen Übernahme seiner aufgestellten Bahauptungen ist daher eher eine kritische, genaue Untersuchung und Überprüfung dieser angebracht.
[71] Müller, S.382, Fn.23.
[72] R-406, Bericht Vohsens an die Direktion vom 18.9.1888, S.100.
[73] Times, 25.10.1888, S.12. Zu den Sultansbeschwerden vgl.u. Anm.152.
[74] Vgl. Militärisches Orientierungsheft der Schutztruppe für Deutsch-Ostafrika, Daressalam 1911, Kap.IXX, S.8ff und Rudolf Fitzner: Deutsches Kolonial-Handbuch, Berlin 1901, Bd.1, S.283. Reguläre Tagesleistung einer Trägerkarawane ist 3-4 Std. Marsch, vgl.: Schmidt, 1886, S.8 und R-692, S.13.
Auffallend ist jedoch, daß sich gerade der wâlî des weiter nördlich gelegenen Küstenortes Tanga in der zweiten Julihälfte 1888, als er dort mit Konsul Vohsen während dessen vorher angekündigter Küstenbereisung die Modalitäten der zukünftigen Küstenverwaltung hätte besprechen sollen, statt dessen gerade dieser Missionsstation einen Besuch abgestattet hat, vgl. R-695, S.13. Dieses Verhalten könnte in Verbindung mit den weiter unten im Text und unter Anm.82 hinsichtlich der britischen Missionare gemachten Ausführungen als Hinweis auf ein konspiratives Agieren beider Parteien gewertet werden.
[75] Stoecker, S.87; Bennett, S.147; zum Vorgehen des Autors vgl.o. S.12f/S.25f.
[76] Müller, S.381, Fn.17. Nur Amtsrichter Dilthey, eine von allen bislang erwähnten Autoren ignorierte Quelle erwähnt, daß bei der Suche nach dem wâlî in der Moschee ein den Beamten gehöriger Hund dorthinein nachgelaufen sei, erwähnt aber auch: „Daß die Absicht ferngelegen hatte, die Moschee zu entweihen, hatten die Mohamedaner schon daraus entnehmen können, daß beim Betreten derselben die religiösen Vorschriften – Ablegen der Fußbekleidung u.s.w. – sorgfältig beachtet worden waren.“(R-695, S.13).
Bzgl. der muslimischen Vorschriften über tahâra, d.i. rituelle Reinheit von Personen oder Gegenständen, welche durch die vorschriftsmäßige Reinigung hergestellt werden kann, als Voraussetzung für die Gültigkeit vollzogener ritueller Handlungen, vgl. Juynboll, S.172ff. Darin auch die Uneinigkeit der religiösen Schulen, madâhib, bzgl. der Einstufung von Hunden und die erst allmähliche Herausbildung der Anschauung ihrer Unreinheit bei den Verfechtern dieser. Zur diesbezgl. Angabe in der Inderpetition vgl.o. Anm.67. Von der Decken berichtet zudem, daß an der ostafrikanischen Küste Araber selbst Hunde hielten, vgl. Carl Claus von der Decken’s Reisen in Ost-Afrika in den Jahren 1859 bis 1865, Hrsg.: Otto Kersten, Graz 1978 (= Nachdruck der Ausgabe: Leipzig 1869), Bd.1, S.149. Außerdem ist auch in Kirchen das Mitführen von Hunden für gewöhnlich verpönt.
[77] Times-Artikel vom 25.10.1888, S.13.
[78] Zugunsten der DOAG-Beamten muß hervorgehoben werden, daß die Verbreitung des Christentums etc. als ihre Aufgabe oder Handlungsmaxime nirgends aufscheint, demgegenüber aber in den Akten mehrfach von Vorfällen berichtet wird, bei denen Übergriffe auf Deutsche wie auf Briten und deren eingeborene Angestellte durch die muslimischen Angreifer dadurch gerechtfertigt worden seien, es habe sich bei den Attackierten – oft erst nach vorhergegangener Prüfung dieses Umstands – um Christen gehandelt. Vgl.: Beschießung eines Bootes des Sultansdampfers Barawa mit Vohsen als Vermittler an Bord: R-406, S.84f; Beschießung eines Bootes der Möwe vor Tanga, deren Zahlmeister wie üblich Nahrungsmittel einkaufen sollte: R-406, RS.103; Beschießung eines Bootes des brit. Kriegsschiffs Algerien, das als drittes vom britischen Gk zum Schutz der dort bedrohten Inder requiriert worden war (vgl. R-406, S. 94), vor Pangani: R-406, S.89f (= Bericht des brit. Vizekonsuls Berkeley, übereinstimmend damit Bericht Vohsens: R-406, RS.87f); Bedrohung von General Matthews während seiner Pangani-Mission u.a. als Christ: „… my life was in danger and if I had not had my ascaris with me should most likely have been shot, as I am Christian …“ (R-406, RS.149, Matthews an Vohsen am 23.9.1888); Michahelles-Bericht vom 24.9.1888, worin es heißt: „der allgemeine Haß richtete sich lediglich gegen alles Europäische und Christliche“ in: Deutscher Reichs-Anzeiger und Königlich Preußischer Staats-Anzeiger (abgek.: DRA), 25. Oktober 1888, Abends, Titelseite; Antagonismus auch bzgl. der Unruhen in Kilwa mit Ermordung der dt. Beamten aufscheinend in: R-406, S.153ff (Vohsen-Bericht mit Askaribriefen dazu) und R-406, RS.153 (in einem Privatbrief eines Arabers wird mehrfach hervorgehoben, die Bevölkerung Kilwas sei auf die „Christen“ losgegangen); auch in der Pangani-Denkschrift werden die Feinde bzw. Übeltäter wiederholt als Christen herausgestellt: R-406, S.111, RS.111, S.112; vgl.a.: R-406, RS.151, S.183 und Telegramm von Dr. Michahelles/Admiral Deinhard an das AA, 24.9.1888: R-770, S.70. Vgl.a. Bezeichnung des brit. Gks durch eine Sultansschwester als „gottloser Kafer“: Ruete, S.231 und die Mitteilung, der Spruch eines Talismanpapiers am Mast einer arab. Dhau habe geendet mit: „Fluch allen Christenhunden.“ (Sturtz/Wangemann, S.83).
[79] Porter nennt u.a. das „Kap-Kairo-Rückgrat“ als britisches Ziel (S.87) bzw. die Verbindung der Uswahiliküste mit dem Kongo/Südsudan (S.158) unter britischer Herrschaft, welches durch das deutscherseits beanspruchte Territorium gestört worden sei (S.394), und spricht von „their (= british, d. Verf.) satrapy of Zanzibar“ (S.231).
Bestätigend und aufschlußreich: Krenzler, S.21 und Vohsen: R-406, S.232, S.234. Vgl.a.: Heinz Höpfl: Geschichte Englands und des Commonwealth, Frankfurt 1973, S.212, s.a. S.217; Ruete, S.242f, S.245.
[80] DRA vom 30.1.1889 unter „Nichtamtliches“. Gerade die Universities‘ Mission to Central Africa habe „ausgesprochen hochkirchlichen Charakter“ gehabt: Carl Th. Mirbt: Universitätenmission, in: Deutsches Kolonial-Lexikon, Bd.3, S.575. Bestätigend auch Dilthey: R-695, RS.13.
[81] R-406, S.232.
[82] R-406, RS.236. Zahlenmaterial in: S.237; eine wichtige Person im Pangani-Aufstand, Said bin Wasiri, sei sogar früher als Missionsagent für Großbritannien tätig gewesen (loc.cit.).
[83] Da es eine muslimische Monatsbezeichnung „Ethagg“ nicht gibt und unter Zugrundelegung eines Flüchtigkeitsfehlers beim Abschreiben der Denkschrift, die ja nur in dieser Kopie der Akte R-406 beiliegt, auf „Elhagg“ schließend, könnte am ehesten der Monat dû l-higga gemeint sein. Laut Abgleich mit einer Übersetzermarginalie zu R-388, RS.64 sei der 17.8.1888 der Opferfesttag im Pilgermonat, also der 10. dû l-higga gewesen.
[84] Von Zelewski an Vohsen am 2.9.1888, R-406, RS.198f.
[85] Vgl. z.B.: R-360, S.185; R-406, RS.151; R-692, RS.70; DKZ 1888, S.349. Schon damals abwehrend der 1888 Dr. Meyer auf Expedition in Ostafrika begleitende Forscher und spätere österreichische Konsul auf Sansibar Baumann. Nach seiner Einschätzung würden die Gesellschaftsbeamten zu Sündenböcken eines offenbar lange geplanten und ganz überraschend ausgebrochenen Aufstandes gestempelt; zudem sei ein bloßes strenges Auftreten, wie behauptet, ungeeignet, einen Aufstand auszulösen; s. R-695, S.9; bestätigend Dilthey, der schreibt: „Man würde aber hier mit dieser Annahme den Beamten und insbesondere dem Bezirkschef v. Zelewski meiner Überzeugung nach das größte Unrecht thun.“(R-695, S.13); R. Schmidt, 1894, S.44; Vohsen: R-406, RS.151.
[86] Gegen Ende der Darstellung (vgl.o. S.21/u. S.42f) soll z.B. durch Unterdrückung wichtiger, eine ganz gegensätzliche Haltung dokumentierender Ereignisse der Eindruck erweckt werden, die Bevölkerung habe mit der Rebellion Treue zum Souverän dokumentiert und sich sogar für die Deutschen eingesetzt. Ein Aufstand gegen die oberste Verwaltungsbehörde des Sultans war aber „eo ipso“ ein Aufstand gegen den Sultan (!) und brachte damit die Aufrührer in ein Rechtfertigungsdilemma. Mit der Behauptung, die DOAG-Leute hätten sich widerrechtlich, also auch vertragswidrig, zu Küstenverwaltern aufgeschwungen und damit den Sultan als Souverän abzulösen getrachtet, und außerdem die Deutschen nur zu deren eigener Sicherheit vor den plötzlich hereinbrechenden Horden des Hinterlands im Gesellschaftshaus festgesetzt, welche nach Betchas (vgl.u. Anm.94) Aussagen tatsächlich aber gerade der Mobilmachung d u r c h die Pangani-Leute bzw. Buschiri gefolgt waren, wurde versucht, diesem Dilemma zu entgehen.
[87] R-406, RS.110f. Leider erweist sich die Veröffentlichung der Denkschrift durch Müller (S.544ff) auch in der Wiedergabe ungenau und enthält wesentliche Informationen vor, hier bezüglich der genauen Identifizierung der beiden angesprochenen Personengruppen, welche – vollständig wiedergegeben – nämlich ergibt, daß die Bevölkerung von Pangani, entgegen der Thesen Müllers und Stoeckers, eben n i c h t einheitlich gegen die DOAG eingestellt gewesen ist. Vgl.o. Anm.63.
Die spätere Passage der Denkschrift: „Nachdem die Ortsbewohner dieses gewahrten, sagten sie: Dieser; sein Wunsch ist nicht die Zollverwaltung, sondern die Besitzergreifung“(R-406, RS.111) offenbahrt ebenfalls eine – vorgebliche oder tatsächliche – falsche Vorstellung der Denkschriftverfasser bzgl. der Bedeutung der bereits stattgehabten Verwaltungsübergabe an die DOAG. Auch aus der Station Lindi liegt eine Mitteilung vor, daß eine Proklamation absichtlich falsch verlesen und damit zum Aufstand gereizt worden sei, s. R-406, RS.38.
[88] R-406, S.111; der Ausdruck „Suan“ könnte – als Abschreibefehler – mit sawâd = arab. für „schwarze Farbe, Schwärze“, im Schriftbild als „s-û-â-d“ aufscheinend bzw. sûdân = arab. für „Schwarze, Neger“ zusammenhängen und wäre damit im Wortzusammenhang sinnvoll. Die überaus interessante und aufschlußreiche Differenzierung der Bevölkerungsgruppen in Pangani, welche in R-406, S.111 durch die in Klammern gesetzte Erläuterung vorgenommen wird, ist in der Veröffentlichung des Textes von Müller, S.544, unterdrückt (!), bestätigt damit aber, was in Anm.63 zum ideologischen Gehalt des vom Autor Behaupteten schon bemerkt worden ist. Zum abwertenden, seitens der muslimischen Küstenbevölkerung für die Eingeborenen gebrauchten Begriff Waschenzi vgl.: Lederer, S.130, Anm.7. Es befremdet allerdings, daß Müller gerade diesen abwertenden Ausdruck zur Bezeichnung der einheimischen Bevölkerung übernimmt und grundsätzlich beibehält.
[89] R-698, S.25f und RS.26f. Bestätigend zur gesteuerten Fehlinformation auch: Sturtz/Wan-gemann, S.68. Vgl.a.: in Lindi war durch absichtlich falsche Wiedergabe eines Proklamationstextes die Bevölkerung zum Aufstand gereizt worden: R-406, RS.38, zudem habe der qâdî dazu aufgefordert, für den Sultan gegen die Deutschen zu kämpfen: R-406, S.168; in Daressalam hatte der wâlî die (offiziellen) Sultansbriefe öffentlich als Fälschungen und damit die Proklamationen der DOAG für Anmaßung ausgegeben, den Bewohnern bei Haftstrafe verboten, den Anordnungen der DOAG-Beamten nachzukommen und es eines Arabers für unwürdig erklärt, Dienst für einen Europäer zu tun: R-406, RS.76. Zudem sei den Leuten von feindlicher Seite eingeredet worden, sie müßten nun alle Christen werden, ihre Sklaven freilassen und künftig hohe Steuern zahlen: R-406, S.177.
[90] Vgl.: R-406, RS.111f; RS.85 (Betchas Aussage).
[91] R-698, S.26.
[92] Frau Ruete bemerkt sogar, daß die respektvolle Erwiderung des Grußes von Ehefrauen bzw. Konkubinen arabischer Einwohner durch Europäer, im Beispiel speziell deutsche Marineoffiziere, seit Bargaschs Herrschaft plötzlich als Affront gewertet worden sei: Ruete, S.255. Fast überflüssig in diesem Zusammenhang ist der Verweis, daß in islamischen Gesellschaften die Frau die „Ehre“ der Familie geradezu symbolisiert, welche nicht erst durch tätliche Übergriffe auf sie beschädigt wird, vgl.: Irmhild Richter Dridi: Frauenbefreiung in einem islamischen Land – ein Widerspruch?, Frankfurt a. M. 1984, S.77ff, bes. S.79.
[93] Vgl.a: R-406, RS.201und s.o. Anm.31f.
[94] Nach Soliman bin Nassr habe Pangani selbst inklusive der Sklaven, welche selbstverständlich für ihre Herren zu kämpfen hatten, über 1500 Bewaffnete verfügt, s. R-698, S.26f; von St. Paul-Illaires Bericht vom 7.9.1888 zufolge hätten die Gegner schließlich mehrere tausend Bewaffnete aufgeboten: R-406, RS.94. Der Pangani-Abgesandte Seid Betcha gab am 5. Sept. 1888 auf der Barawa Vohsen gegenüber sogar an: „Wir sind unserer einige Tausend Leute aus dem Innern und von der Küste.“(R-406, RS.85); auch ein Askari meldete auf der Station Lewa, daß sich bereits ca. 3000 Bewaffnete in Pangani aufhielten: DKZ 1888, S.368; s.a. S.84f, RS.85f, RS.94. Diese Aussage macht deutlich, daß bereits eine regelrechte Mobilmachung stattgefunden haben muß, welche auch durch folgende Angaben erhärtet wird: alarmierender Bericht von Zelewskis vom 10.8.1888 (also noch v o r Übernahme der Küstenverwaltung durch die DOAG) über erhebliche Waffen- und Munitionslieferungen auf dem Sultansdampfer Kilwa aus Sansibar an die Küste (R-406, S.14f); seinerseits untermauert durch Bericht von Ebersteins aus Lindi vom 15.8.1888, mit dem Zusatz, daß nach Aussage der dortigen Inder eine Meuterei durch die ansässigen Araber und ihren Anhang g e p l a n t sei: R-406, RS.32; u.a.
Bestätigend zum Kampfeinsatz von Sklaven durch ihre arab. Herren s.a. Sturtz/Wangemann, S.68; R-406, RS.38, RS.164, RS.166f; DKZ 1888, S.365; DKZ 1889, S.154 (Araber am Nyassa gegen Briten 1888); R-695, RS.9, RS.13; Dr. Meyer in R-698, S.15, S.18; u.a.
[95] Vgl.: R-406, RS.79f (17.8.), S.193 (21.8.), RS.196 (24.8.), S.201f (31.8.), S.199 (2.9.).
Wie schon erwähnt, hielt sich die zusätzliche, schließlich von 10 auf 18 Mann aufgestockte Marinewache insgesamt nur fünf Tage, vom 20.-24.8.1888, in Pangani auf und war mit der Sicherung der Stationsbesatzung und des Gesellschaftseigentums sowie Patrouillengängen hinlänglich ausgelastet; Grund hierfür war die Meldung gewesen, Truppen des wâlî, welcher sich mit dem bekanntesten der Aufstandsführer, Buschiri, zusammen mit anderen Arabern auf dessen nahegelegenen Landgut getroffen hatte, plane einen nächtlichen Angriff, vgl. R-406, S.192 und Sturtz/Wangemann, S.71. Von Zelewski weist gerade während der Anwesenheit der Wache auf die beruhigte Lage hin – vgl. R-406, S.193, S.195, RS.196 – und berichtet am 24.8.1888: „Heute sind die Mannschaften von S.M.Krzkorv. Carola‘ durch S.M. Krz. ‚Möwe‘ abgeholt und kann ich nicht genug das gute und bescheidene Wesen der Leute loben.“(R-406, RS.196). Auch im Michahelles-Bericht vom 25.8.1888 wird die Vorbeugung einer Eskalation durch „das ruhige und sichere Auftreten unserer Mannschaften“ hervorgehoben; s. R-770, S.42. Außerdem war gerade während dieser Zeit (!) der größte Teil der Stadtbewohner, insbesondere die Schwarzen, in die nun wieder als sicher empfundene Stadt zurückgekehrt, s. R-406, S.195, S.201; bestätigt durch Dr. Michahelles: DKZ 1888, S.415.
[96] Sturtz/Wangemann, S.70 und S.71. Schon Rochus Schmidt berichtete während der Landankaufsaktionen 1885 vom manchmal als unangenehm empfundenen, aber im Interesse der Aufrechterhaltung freundlicher Beziehungen zur Bevölkerung unbedingt mit Gleichmut zu ertragenden „Schauwert“ der Europäer bei alltäglichen Verrichtungen; s. Schmidt, 1922, S.39.
[97] Sturtz/Wangemann, S.70.
[98] R-406, RS.85. Zum Eingreifen der Carola-Mannschaft s.a. R-770, S.3ff (Michahelles-Bericht), S.19ff (AA).
[99] Die o.e. Inder-Eingabe vom 10.3.1889 (!) an das britische Gkat erwähnt die bereits bekannten Anschuldigungen gegen die DOAG bzgl. der Vorgänge in Pangani – allerdings o h n e Erwähnung auch nur e i n e s Übergriffs auf weibliche Bewohner – nur als Gerücht, vgl.: R-419, S.61. Inder als „Spione“ für das brit. Gkat auch erwähnt in: Ruete, S.256 zu S.254 bzw. bedingt auch in: Jühlke, S.4 (Inder sind „englische“ Untertanen!) und für die Aufständischen in: Schmidt, 1892, S.23; Nachlaß St. Paul-Illaire im Bundesarchiv Berlin, 90 Sa 1, Bd.16, S.139f, S.154. Bzgl. der britischen Ambitionen in Ostafrika vgl.o. Anm.79. Zum Abzug der DOAG-Beamten: R-406, RS.87f, S.94f.
[100] R-406, S.111. Auffallend an der Passage ist auch, daß von Zelewski nicht als oberster Verwaltungsbeamter des Sultans, sondern nur als „Chef der Zollverwaltung“ betitelt wird. Interessant dazu ist, daß die von Sayyid Khalifa dem Sultansabgesandten Said bin Salim mitgegebene zusätzliche Proklamation (vgl.o. Anm.41) den anderen Proklamationen und dem Küstenvertrag widersprechende, mißverständliche Äußerungen bzgl. der Verwaltungsbefugnisse der DOAG nur (!) dahingehend enthielt, daß „wir alle Länder auf dem Festlande vom Umbaflusse an der Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft vermiethet haben was die Zolleinnahmen und die Erhebung der Taxen anbelangt.“(R-406, S.17) und auch hinsichtlich des Regierungseigentums mehrdeutige, in sich widersprüchliche Angaben macht. Bestätigend: Denkschrift in: R-697, RS.73. Vgl. dazu a.: Anm.86.
Nach Sturtz/Wangemann, S.70 gehörten zudem alle (!) durchsuchten Privathäuser dem wâlî.
[101] Ruete, S.173; s.a.: Theodor Willem Juynboll: Handbuch des Islamischen Gesetzes …, Leiden/Leipzig 1910, S.126ff. Packenham (S.399) behauptet sogar, das Eindringen in die Moschee habe – wieder mit Hunden – während des Ramadân stattgefunden, allerdings ohne einen Quellenbeleg zu liefern und unter Verlegung der Aktion nach Tanga, aus welcher Stadt keinerlei auch nur diesen ähnliche Beschuldigungen erhoben worden sind.
[102] Ruete, S.51. Zum Landezeitpunkt vgl. Sturtz/Wangemann, S.70 und R-406, RS.191. Zur Perhorreszierung in islamischen Gesellschaften, einen Betenden zu stören, vgl.: Ruete, S.29 und (bei Vollzugs eines Pflichtgebets): Peter Heine: Kulturknigge für Nicht-Muslime, Freiburg/Basel/Wien 1994, S.23.
[103] R-406, RS.112f. Die Erwähnung des Schuhablegens geschieht also ohne vorherige Vorlage eines Vorwurfs von muslimischer Seite nur durch von Zelewski und absolut im Widerspruch zu den von späteren Autoren diesbezüglich gegen ihn erhobenen Beschuldigungen. Daß eine Moschee sogar als Ausgangspunkt für das geplante Attentat auf Bezirkschef Krieger und den Beamten Hessel in Kilwa benutzt wurde, bezeugt: R-698, RS.112.
[104] R-406, S.191 = RS.30; s.a. Bericht vom 17.8.1888: S.189.
[105] R-406, S.113. Schon im Bericht vom 24.8.1888, zu einem Zeitpunkt also, an dem noch kein Grund zu einer Rechtfertigung bestand, bemerkte von Zelewski schon: „Die hiesigen Gefangenen habe ich sämmtlich begnadigt, da der Grund für ihre Bestrafung theils ein lächerlicher war, theils die Leute so willkürlich an die Kette gelegt waren, daß sich das Rechtsgefühl streubt. Außerdem war ihr Gesundheitszustand derartig, daß eine weitere Internierung mit Gefahr für ihre Gesundheit verbunden war.“(R-406, RS.195). Bestätigend hierzu die von Vohsen während seiner Küstenbereisung vorgefundenen Zustände: R-698, S.94f.
[106] Vgl.o. bzgl. Bagamoyo Anm.42; bzgl. Daressalam s. R-388, S.30, R-406, RS.76f und Leue, S.7f; s.a. R-698, S.24; R-692, RS.70; Kurtze, S.70; Schmidt, 1892, S.6, S.8, S.15, S.19; ders. 1922, S.32, S.69, S.71f; u.a.
[107] R-406, S.113 /; s.a. Wangemann, S.70/. Diese Darstellung widerspricht eindeutig der ohne Quellenbeleg erfolgten und zudem logisch verwirrenden Anschuldigung: „Hundert Marinesoldaten gingen an Land, verhafteten den Statthalter des Sultans und überfielen den Harem des Wali, der die Flucht ergriff.“ in: Pakenham, S.400.
[108] R-406, S.113f. Da nach kritischer Prüfung aller (!) relevanten Fakten, welche dem AA bzw. Rk schließlich vorgelegen sind, sich die Vorwürfe wegen sexueller Übergriffe als unberechtigt erwiesen haben, verwundert es gerade n i c h t, daß sich der Rk darüber nicht erregt haben soll, wie sich Müller mokiert (Müller, S.381).
Die Abschrift der Denkschrift in den DOAG-Akten (R-406, RS.110) gibt den Namen des wâlî mit „Abd –el Gawy“(?) an, sonst wird er – wie gehabt – als Abdul Kaoni geführt.
[109] Baumann, S.38.
[110] R-406, S.113. Eine befestigte Regierungs-Boma wurde erst unter Wißmann angelegt und später ausgebaut, vgl.: Richelmann, 1906, S.241; Militärisches Orientierungsheft, Kap.XV, S.8; u.a.
Zum Überraschungsmoment vgl.a.: R-406, RS.32; bestätigend zur bloßen Enwaffnung auch: R-770, S.10f (Sultanstelegramm vom 24.8.1888) und R-770, S.19 (Bericht des ksl. Gks vom 27.8.1888).
[111] Vgl.o. Anm.94.
[112] R-770, S.112, worin Vohsen in einem Zeitungsartikel feststellt, daß eine solche nicht (!) stattgefunden habe.
[113] Vgl.: Reichsstrafgesetzbuch, Berlin/Leipzig1920, §177; Strafgesetzbuch, München1992, §177; Jakob Heinrich Kaltschmidt: Vollständiges stamm- und sinnverwandtschaftliches Gesammt-Wörterbuch der Deutschen Sprache, Nördlingen 1865, S.1017; vgl.a. „vergewaltigen“ = „gewaltsam behandeln“(loc. cit.).
[114] R-406, S.111 und RS.111 (mit „Er“ ist von Zelewski gemeint).
[115] R-406, RS.113. Auf diese Fehldarstellung in der Denkschrift verweist auch Vohsen in seinem Schreiben an den ksl. Gk vom 15.9.1888 in: R-406, RS.107. Dr. Michahelles bemerkt grundsätzlich in seinem Bericht vom 18.9.1888, daß die Pangani-Deputierten am 14.9.1888 „die unsinnigsten Behauptungen“ hervorgebracht hätten und auch sonst nicht viel Nützliches aus deren Reden zu entnehmen gewesen sei. Der Bezug zu den bereits diskutierten Anschuldigungen wird dabei klar herausgestellt; s. DKZ 1888, S.417. Schon früher hatte er bemerkt, daß er mit Richtigstellungen bzgl. Falschanschuldigungen wegen angeblich ungeheuerlicher Gewalttaten der DOAG-Beamten beim Sultan zu tun gehabt habe: R-770, RS.57.
[116] S.a. Bekenntnis von Zelewskis vor dem wâlî am 12.8.1888, er sei ab 16.8.1888 „der oberste Beamte des Sultans Seyid Chalifa“ in: R-406, S.25.
[117] R-406, RS.196; s.a. S.79ff (17.8.), S.196 (24.8.), S.201 (31.8.), S.199 (2.9., gez. von Zelewski, Sigl, Burchard), RS.199 (Vohsen), S.200 (2.9.); S.202 (4.9.). Gleiche Hilfsersuchen für Pangani auch in: R-406, S.64f, S.80, RS.86 (Vohsen); für Lindi: S.39, S.117; für Lindi, Kilwa, Daressalam, Pangani, Tanga: S.71, S.72f (durch Vohsen); für alle Küstenstationen: R-406, RS.86 (durch Vohsen); s.a. S.64f; u.a.
[118] Bestätigend auch: R-406, S.201 und Analyse der Verhältnisse durch das AA in: R-770, S.22. Müller betitelt demgegenüber wiederholt von Zelewskis Verwaltung als „Terrorregime“ (S.352, S.382), die Leues in Daressalam als „niederträchtiges Terrorregime“(S.390). Ähnlich auch: Sippel, S.486.
Gerade Leue wurde aber z.B. glänzend rehabilitiert durch eine von der DOAG gemeinsam mit dem Sultan eingeleitete Untersuchungsabordnung an Bord des Sultansdampfers Barawa, welcher Soliman bin Nassr als Vertrauensmann vorstand. Im direkten Kontakt mit der Bevölkerung der noch nicht aufständischen Verwaltungsstationen des Südens sollte so vor Ort Beschwerden, welche in Sansibar gegen die DOAG erhoben worden waren, nachgegangen, und im Namen des Sultans nötigenfalls nachträglich die Bevölkerung über die Auswirkung des Küstenvertrages korrekt aufgeklärt und so Ruhe und Ordnung wiederhergestellt werden. Sowohl Leue wie auch die betroffene Bevölkerung schienen jedoch gleichermaßen überrascht über die von Soliman bin Nassr am 23. Sept. 1888 vorgebrachten Anschuldigungen, so daß die Untersuchung mit einer Sympathiekundgebung der Einwohner für Leue endete, vgl.: DKZ 1889, S.210, bestätigt durch R-406, S.174, RS.175ff. Diese Information unterdrückt Müller, und da sich Soliman bin Nassr offensichtlich nicht als Gewährsmann für angebliche, von DOAG-Agenten verübte Greuel verwenden läßt und sich um Frieden bemüht, wird er als „Kollaborateur“ diffamiert; vgl. Müller, S.407. Zur Mission von Soliman bin Nassr vgl.a.: R-406, RS.125, S.137, S.147f, S.148f, S.154, RS.157, S.171, S.174, RS.175ff, RS.216. Mit Soliman, der darauf den wâlî von Pangani ersetzen sollte (R-406, RS.147f, S.158 u.a.), reiste u.a. auch von Zelewski (R-406, RS.147, S.174, S.176).
[119] Erwähnt bei: Pakenham, S.399 (ohne Beleg); Stoecker, S.87 (ohne Beleg); Sippel, S.480 mit Müller als Beleg; Müller, S.362.
[120] Vgl.: Pakenham, S.399 (ohne Beleg); Sippel, S.480 mit Müller als Beleg; Müller, S.362.
[121] Petschull, S.176; Sippel, S.473 (ohne Beleg hierfür).
[122] Sippel, S.477, s.a. S.479, S.482, S.486.
[123] Vgl.: R-418, S.39f, S.42ff, S.75, S.77 (Marginalie des Rk), S.89, S.90ff, S.97ff; R-770, S.34ff.
[124] Vgl.: R-418, S.67.
[125] R-770, RS.34. Bestätigend zur korrekten Abgabenpolitik der DOAG: R-406, RS.145ff.
[126] R-406, RS.195. Diese Verordnung Nr.2 findet sich in: R-770, S.36.
[127] R-770, S.36.
[128] Sippel, S.477, s.a. S.479, S.486. Bei seiner Zitierung und Folgerung aus den schon erwähnten „Provisorischen Instruktionen …“(R-418, S.42ff) schenkt der Autor der Bedeutung seiner eigenen Wortwahl: „Konzepte des Generalbevollmächtigten“ sowie dem Ausdruck „provisorisch“ zu wenig Beachtung. Wie schon erwähnt, wurden diese Instruktionen zusammen mit anderen Entwürfen von Vohsen dem AA zur Begutachtung eingereicht. In einer Aktennotiz des AA vom 30.10.1888, welche die inzwischen eingegangenen Gutachten zu den eingereichten Schriftstücken zum Thema hat, wird denn auch bemerkt, eine Erörterung dieser erübrige sich derzeit, da „indessen die in Rede stehenden Anordnungen nicht ausgeführt werden können.“(R-418, S.89). Und wie hätte andererseits die Bevölkerung vom Inhalt nicht zur Veröffentlichung bestimmter Instruktionen für das Personal erfahren sollen? Was nicht zur Ausführung gelangt (bzw. der Bevölkerung nicht bekannt ist), kann auch keine Reaktionen wie Aufstände zeitigen. Zur Zuständigkeitsbeschränkung eines qâdî s. zudem Anm.24.
[129] Sippel, Fazit: S.486, s.a. S.479, S.482. Auf die eine mißverständliche, den anderen Proklamationen zuwiderlaufende, von Sippel aber nicht herangezogene Sultansorder wurde in Anm.100 schon hingewiesen.
[130] R-418, S.67.
[131] R-406, S.201
[132] R-406, RS.201; s.a. Dr. Michahelles in: DKZ 1888, S.416. Zur Handhabung der Eingeborenengerichtsbarkeit in der Kolonialzeit vgl.: Lederer, 1994.
Selbst w e n n dieses Gericht sich, wie Sippel fälschlich behauptet (vgl.o. Anm.128), Bereiche der Gerichtsbarkeit der qudât „angemaßt“ hätte, wäre durch die anwesenden stimmberechtigten Muslime (Mehrheitsentscheid!) immer noch die Berücksichtigung des islamischen Rechts gesichert gewesen.
[133] R-4744, RS.10. Als Beispiel s. Richelmann, 1892, S.13.
[134] R-406, S.201f.
[135] R-406, RS.111 (Denkschrift), aufgegriffen in: Müller, S.382, s.a. S.364; Pakenham, S.399 (ohne Beleg); Stoecker, S.87 (ohne Beleg); Sippel, S.479f, S.486, fußend auf Müller.
[136] R-770, S.37; übereinstimmend damit die Sultansproklamation vom 19.6.1888, vgl.o. Anm.16. Ausführlicher zu den Beweggründen der DOAG im Schreiben von deren Direktion an das AA: R-388, S.97ff, Punkt 3 (darin klarer Widerspruch zu Sippels Darstellung in: Sippel, S.480, S.486) und Dr. Michahelles in: R-388, RS.67f.
[137] R-406, RS.195. Die Behauptung, der Stationschef habe am „12. Ethagg“ durch Drohungen die Ortsältesten genötigt, ihm Land zu verkaufen, ist darum – abgesehen von dessen Erwiderung: „Alle Anklagen, betreffend die Festnahme von Leuten, Drohungen, Sendung von Gefangenen nach Europa muß ich als Lüge bezeichnen.“(R-406, RS.113) – unglaubwürdig, da von Zelewski damit nicht nur seine eigene Stationspolitik (Aufschiebung der Grundbucheinträge) sondern auch die Pläne der DOAG hinsichtlich juristisch stichhaltiger Landkäufe sabotiert hätte. Daß dem Bezirkschef der schon aus der Pädagogik bekannte Grundsatz von der Wichtigkeit konsequenten Handelns durchaus bewußt war, zeigt seine Mitteilung in anderem Zusammenhang. „ … denn sonst dürfte sich bald eine Rechtlosigkeit und Unsicherheit unter unserer Verwaltung herausbilden, deren Folgen auf uns zurückfallen würden … .“(R-406, RS.201).
Hinsichtlich der äußerst befremdlich anmutenden Anschuldigung der Denkschrift, wiederholt sei bei Widersetzlichkeit mit Ergreifen, Fesselung und Deportation von Pangani-Einwohnern oder gar des Sultans selbst nach Europa (vgl.: R-406, S.111f, s.a. S.112, aufgegriffen durch: Müller, S.382; Pakenham, S.400 (ohne Beleg)) bzw. mit Krieg (!) gegen die Stadt gedroht worden, der gegenüber nur die o.e. Ablösung und Verbringung des wâlî durch ein Schiff der dt. Marine nach Sansibar verifizierbar ist, ist zu bedenken, daß bei allen Kolonialmächten die Gestattung einer Einreise nach Europa meist nur ausnahmsweise und als besondere Ehre zugelassen war; vgl. z.B: Soliman bin Nassr (vgl.: R-5499, S.91) und Fall des (ehemaligen) Lektors des Seminars für Orientalische Sprachen Mtoro Bakari (in: R-5421). Ein Beispielfall aus Lindi untermauert daher auch die Verbringung nach Sansibar: R-695, S.13 (s.a. R-406, RS.38), ebenso wie die des (vor dessen Flucht angeordneter) von Zelewski-Attentäters: R-406, RS.198; ebenfalls bestätigend: R-697, S.74ff; dergleichen war an der Küste schon aus englischer Praxis bekannt, vgl.: Wilhelm Joest: Um Afrika, Köln 1885, S.271f.
Die Erwähnung eines „Krieges“ mag vielleicht in einer mißverständlichen Ausdrucksweise der Waswahili ihren Grund haben, da das gebräuchliche Fremdwort manoari zwar auf das englische man of war zurückgeht, aber in Kiswahili nur „Seemann/Matrose“ bedeutet und damit auf die Marinewache anspielen könnte, s. Krenzler, S.50.
[138] R-406, S.121, so mußten auch andernorts um Grundbucheintragung nachsuchende Inder auf später „vertröstet“ werden.
[139] R-406, S.202 (Bericht vom 31.8.1888); R-698, S.26 (Soliman bin Nassrs Aussage, vgl.o. S.11/23/. Daß in Pangani bis zum Abzug der DOAG-Beamten keine (!) solchen Register geführt worden sind, belegt auch: R-388, S.101.
[140] R-388, RS.100.
[141] R-388, RS.97ff.
[142] R-388, RS.68 (vgl.a. AA in: RS.93) und S.69 (vgl.a. AA in: S.94).
[143] R-388, RS.100.
[144] R-388, S.102f; zur Praxis der Kolonialzeit vgl. Lederer, S.75.
[145] R-388, S.95.
[146] R-406, RS.198 (vom 1.9.1888!).
[147] R-406, RS.180f (Circular Vohsens vom 31.8.1888); bestätigend auch S.200:„Tendenz der Gesellschaft, sich allmählig … in die Verwaltung der Küste einzuschleichen“.
[148] Vgl.o. Anm.23.
[149] Die sog. irreguläre Truppe des Sultans, auch wegen ihrer eigentümlichen Springtänze als Wiroboto ( = kisw. für Flöhe) benannt, stellte neben der regulären Armee unter dem Briten General Matthews, welche in militärischem Reglement ausgebildet war und aus uniformierten, gut gedrillten schwarzen Waswahili bestand, nach überlieferten Beschreibungen einen eher bunt gemischten, wilden Haufen dar, welcher sich aus religiös-fanatischen Belutschen bzw. Südarabern zusammengesetzt haben soll. Sie wurden wegen ihres ungewöhnlichen Aussehens und Auftretens nahezu von jedem Reisenden beschrieben, welcher Sansibar besuchte; vgl. z.B.: Baumann, S.23f, Richelmann, 1892, S.101.
[150] Vgl.: R-406, S.198ff; demnach geriet von Zelewski dabei mehrfach als scheinbar Unbewaffneter in Lebensgefahr, konnte aber aufgrund seines besonnenen Auftretens jedesmal ein Blutvergießen und eine weitere Eskalation verhindern. Bestätigend: vertraulicher Bericht Vohsens an Dr. Michahelles: R-406, RS.88 und DKZ 1888, S.146; Dilthey: R-695, RS.13. Ähnliche negative Auswirkungen der Irregulärensendung z.B. in Lindi: R-406, S.119, S.165ff; bzgl. Südstationen: R-406, RS.70f (Vohsen-Bericht), allg.: R-692, S.69f (Admiralsbericht), Schmidt, 1894, S.43f; u.a.
In einer geheimen Mitteilung an Dr. Michahelles bemerkt Vohsen als Abschluß seiner Ausführungen: „Aus all diesem geht hervor, daß … der Sultan uns Askaris zur Verfügung gestellt, welche schon vor ihrer Abreise die Ordre zu revoltieren (erg.: erhalten haben, d.Verf.)“(R-406, RS.88). Ähnlich erging es schließlich General Matthews mit seiner Regulären-Entsatztruppe, vgl.: loc.cit. und ebda., RS.94; Matthews-Nachricht: R-406, RS.149; Bericht von St. Paul-Illaires: R-406, RS.94; Vohsen-Bericht: R-406, S.151; Michahelles-Bericht, 24.9.1888: DRA, 25.10.1888 und DKZ 1888, S.349; Vohsen-Denkschrift: R-697, S.73.
[151] R-406, RS.88; bestätigend: Dilthey: R-695, RS.13; Dr. Michahelles in: DKZ 1888, S.416f; Schmidt, 1894, S.46; ders., 1892, S.26; u.a.
Von Zelewski, der im Anschluß die Befriedungsmission Soliman bin Nassrs begleitete (vgl. Anm.118), dann zur Unterstützung des Stationschefs nach Kilwa (vgl.: R-406, RS.24) und schließlich zur Station Bagamoyo beordert wurde, deren Verteidigungszustand er verbesserte (vgl.: ebda. RS.156; R-695, RS.86f), ging Ende des Jahres aus Gesundheitsgründen zurück nach Deutschland (vgl.: Schmidt, 1894, S.54; R-695, S.50). Wißmann, der nach Angabe seiner Untergebenen immer betont Wert auf korrekten und einfühlsamen Umgang mit Eingeborenen und besonders Muslimen legte (vgl. z.B.:Richelmann, 1906, S.198ff; ders., 1892, S.10, S.88; ein gutes Beispiel von seiner Beliebtheit bei den Eingeborenen gibt: ebda. S.210ff), übernahm ihn als einen seiner Kompagniechefs (ebda. S.213). Später stellte von Zelewski bis zu seinem Tod im Gefecht vom 17.8.1891 den ersten Schutztruppenkommandeur der neuen Kolonie.
[152] Hier speziell: R-770, S.83 (vom 3.10.1888), briefliche Wiederholung vom 2.6.1889 an den Kaiser: R-388, S.63f und den Rk: R-388, S.64ff; s.a. R-770, S.10f. Rk-Beurteilung dazu vom 5.10.1888 gegenüber dem Botschafter in London: R-770, S.88ff.
[153] Vgl. Niederschrift Rantzaus in Friedrichsruh: R-770, S.26; Wiederspiegelung auch in: R-360, S.113ff. Daher ist es entgegen Müllers Kritik an seinem Verhalten nicht verwunderlich, weshalb sich der Rk z.B. nicht tadelnd zu den – nicht verifizierten – „Notzuchtakten“ geäußert habe; vgl.: Müller, S.381, Fn.17. Außerdem bemerkte der Rk mit Bezug auf die o.e. Sultansbeschwerden: „Wäre dergleichen vorgefallen, so würde Reutersche Telegraphenburau nicht ermangelt haben, es der Welt zu berichten.“(R-770, RS.88). Die Schreibfehler erklären sich wohl aus der bloßen Vorlage des archivierten Schriftstücks für die spätere Ausfertigung.
[154] R-770, RS.89, s.a. S.108f und vgl. S.14f. Zum politischen Klima zwischen den beiden Ländern s.a. DKZ 1888, S.113f, S.169f; Steltzer, S.30ff; vgl.a.: Höpfl, S.196f, S.201ff, S.212.
[155] R-770, S.78.
[156] Bezugnahme in einer Antwort des AA vom 29.11.1888 in: R-418, S.121. Eine beidseits intendierte und gemeinsam vorgebrachte Forderung der deutschen und britischen Regierung beim Sultan führte schließlich gegen Ende 1889 dazu, daß „der Europäer-feindliche Rathgeber des Sultans Bakaschmar“(R-388, RS.75) seiner Ämter und seines Einflusses am Hof verlustig ging. Vgl.a.: R-406, RS.88; R-698, RS.27; R-705, RS.9; Kurtze, S.130.
[157] Eine Bestätigung dafür scheint eine Aussage des Sultans nach Angabe in Vohsens „Promemoria über den Aufstand …“ zu sein: Demnach habe derselbe „bei meinen letzten Verhandlungen mit ihm zugegeben, daß der Aufstand nicht in dem Verhalten der Beamten der Gesellschaft, sondern in dem Protest der Küstenbevölkerung gegen die Vertrags-Bedingungen seine wahre Ursache gehabt hatte.“(R-698, RS.86f).
Die IBEAC, welche ja im wesentlichen den gleichen Vertrag mit dem Sultan geschlossen hatte (vgl.: R-406, RS.232), habe sich in ihrem Gebiet dagegen nach Dr. Michahelles Aussage, welche zudem vom Araber Mohamed bin Salum im Prinzip bestätigt wurde (R-406, S.116), die bloße Duldung durch die maßgeblichen arabischen Kreise durch enorme Bestechungssummen erkauft, ein Verhalten, das der ksl. Gk für Deutschland kategorisch ausschloß: R-695, S.66. Bestätigend: R-698, RS.96; R-695, S.77ff.
[158] Vgl. R-406, RS.88, S.99, RS.151, RS.235; R-695, S.73 (Vohsen); R-770, S.70 (Deinhard/Michahelles); DKZ 1888, S.349 (Michahelles); bestätigend auch: Porter, S.343; Baumann als frühere Geisel Buschiris: R-695, S.9.
[159] Vgl. z.B.: R-692, S.4ff (Times), S.76f (Times), S.101ff (aus Bombay); R-419, S.103/S.106 (aus Portugal); R-695, S.38ff (Contemporary Review/London, s.a. S.101), S.65f (Independence Belge; s.a.: S.99), S.13; bzgl. Times-Artikeln: R-698, RS.96f; DKZ 1888, S.339, S.349.
[160] DKZ 1888, S.365. Als Hauptinitiatoren der kriegerischen Zusammenstöße waren nicht nur von diesen beiden Regierungen wiederholt die am Sklavenhandel beteiligten (arabischen) Kreise bezeichnet worden, vgl. z.B.: Gott will es! 1890, S.331 (franz. Sudan, franz. Dahomey, portugies. Ostafrika); R-698, S.97f (Sudan, Zentralafrika); R-406, S.239, DKZ 1888, S.348; Gott will es! 1890, S.250; Porter, S.343, S.357 u.a. (brit. Interessensphäre in Ostafrika); DKZ 1888, S.350/360 und 1889, S.154 (Briten am Nyassa); Gott will es! 1889, S.220ff, 1890, S.284, S.634, 646ff, 1891, S.121, S.261ff/S.391ff etc.; Falkenhorst, S.49, u.a. (belg. Kongo); DRA, 12.1.1889 und R-695, S.16ff (Nyanza/Uganda, Zentralafrika gegen Briten, Franzosen); R-695, S.81 / R-406, RS.32, S.157 (gegen Briten); Rk in 1. Beilage zum DRA, 28.1.1889 sowie in: R-770, S.89; Baumann: R-695, S.9; Dilthey: R-695, S.13; Times 18.1.1889 in: R-695, S.27 (deutsche Interessensphäre in Ostafrika); Buschiri-Aussage gegenüber seiner Geisel Dr. Meyer in R-698, S.15f (bzgl. Nyassa, Tanganyikasee, Nyanza, Sudan, dt.-ostafr. Küste); Deinhard in: R-692, RS.69. Auch diese Darlegungen ignoriert Stoecker zugunsten seiner „sozialistischen Grundüberzeugung“, vgl.o. Anm.63.
[161] R-406, S.109 (aus dem Zusammenhang geht eindeutig hervor, daß mit „Uebelthäter“ gerade nicht (!) die Deutschen gemeint sind); beipflichtend Vohsen in: R-697, S.74ff.
[162] R-406, RS.151. Bestätigend Dr. Meyer: R-698, S.16; Schmidt, 1892, S.24; Dr. Michahelles sprach von afrikaerfahrenen, nicht leicht zu ersetzenden Männern, welche er sogar dem Rk gegenüber zur Aufnahme in den Kolonialdienst empfahl, s. R-418, S.129f; s.a. Anm.85.
Die von Müller in Fn.13 zu S.380 zitierte, vernichtend erscheinende Aussage Dr. Michahelles‘ über die Aktivitäten der „Gesellschaft“ im Norden des Landes (R-695, S.59, bei Müller ohne Seitenangabe!) bietet ein aufschlußreiches Beispiel für dessen „kreativen“ Umgang mit Quellenmaterial. In besagtem Brief äußert sich der Gk privatim, gibt also keine Einschätzung kraft besonderer unmittelbarer Kenntnisse oder Informationen seines Amtes ab. Dazu war er auch nicht in der Lage, da sich die angesprochenen Vorfälle zur Zeit seines Amtsvorgängers Dr. Arendt schon im Frühjahr 1887 abgespielt hatten und nicht, wie man aus dem aus dem Zusammenhang gerissenen Zitat vielleicht schließen mag, 1888. Zur Zeit der damaligen Aktivitäten von Dr. Peters und seinen Mitarbeitern hatte es auf eine Sultansbeschwerde hin eine großangelegte amtliche Untersuchung gegeben mit dem Ergebnis, daß die Beschwerde sich als ein M i ß v e r s t ä n d n i s bzw. als h a l t l o s erwies. Lediglich der angesprochene Baumeister Hörnecke, gegen den diesbezüglich gar keine Klage vorgelegen hatte, wurde „wegen groben Unfugs“ zu einer Geldstrafe verurteilt; R-388, S.32, ganzer Sachverhalt ab S.3. Die amtlichen Berichte zum Fall waren lange vor Michahelles‘ Dienstzeit in Sansibar (vgl.: Nachlaß Dr. Michahelles, S.24) nach Berlin abgegangen, so daß er sich im Brief wohl auf Gerüchte stützte. Liest man Dr. Michahelles‘ Ausführungen im Zusammenhang, wird zudem klar, daß sein Hauptanliegen ist, f ü r die DOAG eine Reichsunterstützung zu erlangen, indem er vehement f ü r dieselbe eintritt, insbesondere im Vergleich zum Vorgehen der IBEAC (s.o. Anm.157). Hätte er tatsächlich entsprechende grundsätzliche Vorbehalte gegen die gegenwärtigen Vertreter der DOAG gehabt, hätte er sich als Gk entgegen Vohsens Vermutungen und trotz der anfänglichen Widerstände des Rk nicht wiederholt so sehr für die DOAG bzw. ihre Angestellten eingesetzt wie es gerade (!) aus diesem Brief an Dr. Krauel, seiner Korrespondenz mit dem AA und seinem Nachlaß hervorgeht; s. z.B.: R-418, S.76ff, S.127ff, S.141ff; R-770, S.12, S.39ff, S.45ff, S.57ff, S.60ff, S.72ff, dazu: S.80; Nachlaß, ab S.28.
All dies verschweigt Müller. Leider erschwert er auch durch seine unvollständigen Quellenangaben deren Überprüfung erheblich, da die Akten nur selten und dann auch nur recht unvollständige Inhaltverzeichnisse besitzen und die enthaltenen Schriftstücke nicht nach ihrem Abfassungsdatum eingeordnet sind, so daß allein durch die Datumsangabe ein Dokument darin nur im günstigen Ausnahmefall aufgefunden werden kann.
[163] R-695, S.13. Auch der Admiral revidierte nach Kenntnis der Situation vor Ort seine Einschätzung von Zelewskis zum Positiven: R-695, RS.86f.
[164] Bedeutsam ist auch folgendes Stilmittel: Nachdem Müller z.B. auf S.381 ein Zitat mit – wieder unvollständiger – Quellenangabe gebracht hat, folgt der Teilsatz: „Forsches Auftreten, etwas ostelbische Gutsherrenpsychologie und eine Kompagnie Soldaten, und schon ‚kuscht das Pack‘“. Eine Überprüfung der vorhergehenden wie der nächsten Quellenangabe offenbahrt jedoch, daß diese zur Erregung von Empörung gegenüber dem DOAG-Beamten geeignete Aussage, welche wie ein Zitat gestaltet ist und vom Leser daher wohl von Zelewski zugeordnet würde, nicht vom Bezirkschef stammt, sondern von Müller selbst.
[165] Müller, S.228, Fn.38 in Verbindung mit seinen Ausführungen von S.22ff. S.a. Anm.172.
[166] Vgl. z.B.: Müller, S.23f.
[167] Siehe z.B. Gunnar Myrdal: Das Wertproblem in der Sozialwissenschaft, Bonn – Bad Godesberg 1975.
[168] Max Weber: Soziologie, Universalgeschichte, Politik, Stuttgart 1973, S.327, s.a. S.326.
[169]A. Hermann: Die Entwicklung sozialistischer Überzeugungen und Einstellungen, in: Beiträge zur Theorie der sozialistischen Erziehung, Wissenschaftliche Zeitschrift der Pädagogischen Hochschule Erfurt/Mühlhausen, Heft 2/1969, S.22f; zitiert nach: Methodik Musikuntericht, Hrsg.: Akademie der Pädagogischen Wissenschaften, Berlin 1979, S.27f. Der Beschluß des ZK der SED von 1955, in der ZfG veröffentlicht und zur obligatorischen Leitlinie erhoben, beinhaltete auch die Verpflichtung der Historiker der DDR „planmäßig zur s c h ö p f e r i s c h e n Mitarbeit bei der Ausarbeitung eines marxistischen Geschichtsbildes“ beizutragen, vgl. Gegenwartsaufgaben der Geschichtswissenschaft in der Deutschen Demokratischen Republik, in: ZfG, Berlin 1957, S.454 (Hervorhebung, d. Verf.).
[170] Vgl. z.B.: Rolf Rudolph: Siebenjahresplan und Geschichtswissenschaft, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft (abgek.: ZfG), Berlin 1959, S.1474ff; Adolf Laube: Eine neue Form der populärwissenschaftlichen Tätigkeit der Historiker, in: ZfG, 1960, S.164ff; Ernst Diehl: Zu einigen Problemen und Aufgaben der Geschichtswissenschaft der DDR in der gegenwärtigen Etappe, in: ZfG, 1969, S.1393ff; s.a. die grundsätzlichen – wenn auch auf den Bereich der Mediävistik fokussierten – Ausführungen zu den ideologischen Vorgaben für die DDR-Geschichtsschreibung im Verlauf der Jahrzehnte bei: Peter Segl: Mittelalterforschung in der Geschichtswissenschaft der DDR, in: Geschichtswissenschaft in der DDR, Berlin 1990, Bd.2, S.99ff und im selben Veröffentlichungsorgan speziell für den Bereich der Kolonialgeschichtsschreibung: Horst Gründer: Kolonialismus und Marxismus. Der deutsche Kolonialismus in der Geschichtsschreibung der DDR, in: Geschichtswissenschaft in der DDR, Berlin 1990, Bd.2, S.671ff.
[171] S. z.B.: „The best sources for Germans in East Africa are Fritz Ferdinand Müller, Deutschland … „ in: Bennett, S.288, Anm.1; Deutschs Schlußkapitel „The Coastal Uprising“ baut im wesentlichen auf Müller bzw. dessen Wiedergabe der Pangani-Denkschrift auf (s. Deutsch, S.215ff); oder vgl. die zahlreichen Verweise auf ausführlichere Darstellungen Müllers wie z.B. die Empfehlung: „Eine detaillierte Schilderung der deutschen Invasion befindet sich bei Müller …“ bei Sippel, S.492, Anm. 94, dessen Artikel sich auch sonst eng an Müllers Studie und Stoeckers zumThema geäußerte „Grundüberzeugungen“ anlehnt. So werden beide DDR-Veröffentlichungen bzgl. der generellen geschichtlichen Information neben Kurtze hinsichtlich der DOAG und Zimmermann in Bezug auf Kolonialpolitik wie Standardwerke herausgestellt, obwohl z.B. Horst Gründer: Geschichte der deutschen Kolonien, Paderborn 1985 (inzwischen in verschiedenen Auflagen erhältlich), oder Hans Georg Steltzer: Die Deutschen und ihr Kolonialreich, Frankfurt 1984, zur Verfügung gestanden wären. Zum ebenfalls (von Sippel) angeführten Werk von Falkenhorst wäre noch zu bemerken, daß sich dessen Autor trotz des Titels: Deutsch-Ostafrika, Geschichte der Gründung einer deutschen Kolonie, Stuttgart/Berlin/Leipzig 1890 – wie schon aus dem Vorwort ersichtlich – zum weitaus größten Teil dem Handel und der Geographie widmet, während eine große Anzahl ausführlicher, zeitgenössischer Werke, die die Historie zum Hauptthema haben, gänzlich außer Acht gelassen worden sind.
[172] Es befremdet zudem, daß der Name des damaligen Doktoranden Müller (vgl.: Kollektiv unter Leitung von Walter Markov: Arbeiten zur Geschichte des Kolonialismus und zur na- tionalen Befreiungsbewegung der kolonialunterdrückten Völker, in: Historische Forschungen in der DDR, Sonderheft zur ZfG, 1960, S.556 und Gründer, 1990, S.695) nicht auf den Laufzetteln der Archivalien, wie z.B. der für den Sachverhalt so wichtigen R-406, gelistet ist, in welche sich jeder Benutzer der entsprechenden Akte einzutragen hat. Da erhebt sich zumindest bzgl. Müller die Frage, ob ihm die relevanten Akten überhaupt insgesamt vorgelegen haben, wenn man folgende Vorgaben bedenkt: den aufschlußreichen Beschluß des ZK der SED im Hinblick auf „Die Verbesserung der Forschung und Lehre in der Geschichtswissenschaft der Deutschen Demokratischen Republik“, Abschnitt „G. Die Aufgaben der Parteiorganisationen an den historischen Instituten, Museen und Archiven“(ZfG, 1955, S.507ff, insbes. S.522, S.526f) im „Kampf gegen den Objektivismus und die intellektuelle Überheblichkeit eines Teils der Genossen Studenten“, bei der Verpflichtung aller „wissenschaftlichen und technischen Kräfte in ihrem Arbeitsgebiet zur Erfüllung der Parteibeschlüsse auf dem Gebiet der Geschichtswissenschaft“(ebda. S.526) sowie das Ziel der Überwindung der „Faktologie“ als „spürbares Hemmnis“ der „Historiographie der DDR“(Rudolph, S.1485).
Ersterscheinung des Artikels in: „Die Welt des Islams“, Leiden 2003, Bd.43,2.